(Ebersberg / Bayern) – Der Prozess um Morddrohungen gegen einen dunkelhäutigen Pfarrer in Bayern endet bereits am ersten Tag – mit einer Bewährungsstrafe. Das Gericht verurteilte einen 74-jähriger Rentner wegen seiner rassistischen Drohungen. Volksverhetzung und Beleidigung. Trotzdem konnte er zum Ende der Verhandlung den Gerichtssaal ais freier Mann verlassen. Seine Anwältin aber erregte das meiste Aufsehen am Ende der Verhandlung.

Mancher Zuhörer im Sitzungssaal musste schmunzeln, auch wenn es im Prozess um nicht weniger als Morddrohungen gegen einen dunkelhäutigen katholischen Priester ging. Doch Zornedings Ex-Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende blieb bei der Belehrung der Richterin ernst, dass er wahrheitsgemäß aussagen müsse – ausgerechnet er als Mann der Kirche. Ndjimbi-Tshiende war als Zeuge geladen und wegen einer gegen ihn gerichteten rassistischen Hetze zu trauriger Berühmtheit gelangt.

Vor dem Amtsgericht Ebersberg musste sich deshalb ein 74 Jahre alter Rentner wegen Volksverhetzung, Bedrohung und Beleidigung verantworten – er wurde in allen Punkten schuldig gesprochen. Dem ersten Verhandlungstermin vor drei Wochen war der Angeklagte unentschuldigt ferngeblieben, weshalb ihn das Gericht in Untersuchungshaft geschickt hatte. Der Mann aus München ist schon mehrfach als Rassist in Erscheinung getreten. Die rassistische Hetze gegen den Pfarrer von Zorneding bei München hatte bis ins Ausland hohe Wellen geschlagen.

Das Gericht verurteilte ihn jetzt zu zehn Monaten Haft auf Bewährung – und setzte ihn wieder auf freien Fuß. Mehr als vier Stunden verhandelte das Gericht über die Frage, ob der als Rassist bekannte Mann aus München dem Geistlichen zwischen November 2015 und März 2016 tatsächlich zwei Postkarten mit rassistisch motivierten Morddrohungen geschickt hatte. Die zweite Karte wurde in einem Briefzentrum abgefangen und erreichte den Pfarrer nicht. Dennoch sah es das Gericht im oberbayerischen Ebersberg als erwiesen an, dass der Rentner dem aus dem Kongo stammenden katholischen Geistlichen mindestens zwei Schreiben mit ausländerfeindlich motivierten Morddrohungen geschickt hatte.

„Wir schicken dich nach Auschwitz“

In seiner Anklageschrift hatte Staatsanwalt Alexander Strafner zu Prozessbeginn erschütternde Sätze aus den Postkarten verlesen. „Wir werden Dich auslöschen“ oder „Wir schicken Dich in die Hölle“ stand darin zu lesen, jeweils ergänzt mit übelsten ausländerfeindlichen Begriffen. Am schlimmsten aber wiegt nach Aussage der Anklagevertretung die Drohung: „Wir schicken Dich nach Auschwitz.“

Das Opfer ließ als Zeuge denn auch keinen Zweifel daran, dass er dies als Morddrohung auffasste. Er habe das so verstanden, „dass ich umgebracht werden soll“. Vor allem bei Gottesdiensten in entlegenen Kirchen der nahe München gelegenen Pfarrei habe er um sein Leben gefürchtet und mitunter Freunde zur Begleitung mitgenommen. Entnervt von den Drohungen kündigte der Priester seine Pfarrstelle im Frühjahr.

Nach einer mehrmonatigen Auszeit forscht Ndjimbi-Tshiende seit kurzem an der Katholischen Universität in Eichstätt im Altmühltal. Anfangs hatte der Angeklagte noch geschwiegen, doch nach den Sachverständigengutachten sagte er dann doch: „Solch eine krakelige Schrift habe ich nicht.“ Die Experten unter anderem vom Landeskriminalamt in München hatten dem 74-Jährigen das Verfassen der Postkarten jedoch eindeutig zugeordnet. Auslöser der Bedrohungen waren fremdenfeindliche Äußerungen der Zornedinger Gemeinderätin Sylvia Boher (CSU) gewesen, die der Pfarrer scharf verurteilte.

Erst daraufhin gingen die Drohschreiben im Pfarramt ein. Viele Menschen solidarisierten sich mit dem dunkelhäutigen Priester. Verteidigerin Angelika Haucke-D’Aiello sah Volksverhetzung bei ihrem Mandanten nicht als gegeben an, wohl aber Beleidigung und Bedrohung. Sie gab dem Ex-Pfarrer nach dessen Zeugenaussage die Hand und sagte: „Ich würde Ihnen gerne als bayerische Bürgerin sagen, dass es mir sehr leid tut.“ Dazu zog sie ihre Robe aus, um zu signalisieren, dass sie diese Entschuldigung als Privatperson und nicht als Anwältin des Angeklagten aussprach.

von

Günter Schwarz – 08.11.2016