Junge Männer seien zunehmend rechts, besagt eine Studie der „Young Adult Survey. Das ist keine Überraschung. In den USA wird dieser Trend längst festgestellt und bei der Präsidentschaftswahl hat er sich bestätigt.

Bei der Jugend und bei jungen Erwachsenen hat es eine „konservative“ Wende gegeben; sie ist nach „rechts“ gedriftet. Der Rechtsdrall bedeutet nicht nur ein Wahlverhalten zugunsten „rechtsgerichteter“ Parteien, sondern auch eine stark gestiegene „Fremdenfeindlichkeit“ und ­„Homophobie“. Der noch vor einigen Jahren festgestellte „Linksrutsch“ ist erodiert. Das zumindest sind die ­aktuellen Ergebnisse der Yass-Studie. Ergänzend wurden auch 3000 19-jährige Frauen befragt.

USA als Vorreiter

Der erste Einwand wäre, dass die Befragung schon vor mehr als fünf ­Jahren gemacht wurde; politische ­Einstellungen verändern sich aber zum Teil sehr rasch. Der zweite Einwand ist, dass aus den jetzt publizierten ­Ergebnissen nicht hervorgeht, wie die Verfasser „rechts“, „links“ und „konservativ“ definieren. Die Veränderung an sich ist indessen keine Überraschung; sie fügt sich in den allgemeinen Trend durchaus ein und ist in allen Industriestaaten zu beobachten. Dazu gehört auch die Stärkung extremer Positionen, wie sie Trump, die AfD, Front National oder Dansk Folkeparti ­vertreten.

Bemerkenswert – und bisher zu wenig beachtet – ist der geschlechts­spezifische Graben, der sich dabei offenbart. Frauen wählen Clinton, Männer Trump, Männer die AfD oder die DF, Frauen die Grünen. Das oft gezogene Fazit: Frauen sind heute fortschrittlicher und moderner als Männer.

Veränderte Lebensbedingungen

Nun erklärt diese Schluss­folgerung gar nichts. Die entscheidende Frage wäre, warum sind ­Männer – vor allem auch jüngere – nach rechts gedriftet. Für unsere ­emsigen Wahl­forscher und Polit­iker scheint dies allerdings kein Thema zu sein. In den USA ist es das schon seit einigen Jahren und Europa unterscheidet sich darin keineswegs.

Der Rechtstrend bei Männern wird dort als Reaktion auf deren ­dramatisch veränderte Lebensbedingungen verstanden. Dazu gehört zuvorderst die ökonomische Entwicklung. In ihrem Buch mit dem bezeichnenden Titel „Das Ende der Männer und der Aufstieg der Frauen“ notiert Hannah Rosin, dass während der großen Rezession ab 2007 drei Viertel der 7,5 Millionen ­Entlassenen Männer waren. Männer, die ihre Stelle verlieren, haben auch kaum eine Chance, jemals wieder bezahlte Arbeit zu finden. Im September 2016 hat der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Nicholas Eberstadt diese Entwicklungen noch exakter analysiert. In seiner Untersuchung „Men without Work: America’s Invisible Crisis“ belegt er, wie sehr den amerikanischen ­Männern die Arbeit ausgeht und sie damit immer mehr zum sozialen ­Problem werden. Sie fühlen sich nicht mehr gebraucht und werden von der Gesellscghaft und Politik „vergessen“.

Rückzug auf sich selbst

Die dramatisch verschlechterten Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt haben ihre Folgen für Beziehung und Familie. Junge Männer ziehen sich immer mehr auf sich selber zurück; so ist etwa in den USA die Heiratsrate auf den niedrigsten Stand aller Zeiten gefallen. Diese Entwicklung ist auch im deutschsprachigen Gebiet zu ­bemerken. Die Männer sind aber nicht nur die Verlierer auf dem Arbeitsmarkt, ­sondern schon dort, wo in Schulen und Ausbildung für die späteren Berufs­qualifikationen vorbereitet wird. Ihre Bedürfnisse werden zunehmend ­ignoriert, ihre Leistungen bei gleicher ­Qualität wie die der Mädchen schlechter benotet, ihre Versetzungen in höhere Schulstufen oder Klassen erschwert. Im Gegensatz zu einer stark veränderten Sozialisation für Mädchen ist die Sozialisation von Jungen auch weithin traditionell geblieben. Armut, Krankheit, Süchte, Gewalttätigkeit, Vandalismus, sozialer Abstieg und gesellschaftliche Perspektivlosigkeit nehmen bei Jungen und Männern ­dramatisch zu.

Auch die Autoren der Yass-Studie sprechen in dem Bericht „von bedenklichen Ergebnissen“: Einer von acht Befragten hatte suizidale Gedanken. Nun kommt auch das nicht überraschend: Mehr als zwei Drittel der ­Suizidtoten in der Deutschland sind ­Männer. In der Adoleszenz sind gar 86 Prozent der Suizidtoten männlich, ohne dass solches öffentlich thematisiert würde. Der Gedanke, dass auch ­Männer in bestimmten Bereichen benachteiligt sein könnten, darf erst gar nicht gedacht werden; er widerspricht der landläufigen Political ­Correctness und der feministischen Ideologie mit ihrem Allgemeinplatz von der generellen Unterprivilegierung der Frau und deren Opferrolle. Auch Nicholas Eberstadt konstatiert, dass die Not der Männer in den USA nicht wahrgenommen wird; er spricht von der „unsichtbaren Armee der Untätigen“. Was derzeit unsichtbar ist, kann aber jederzeit explodieren. Dann drohen – so Eberstadt – Gewalt, Vandalismus und Anomie.

von

Günter Schwarz  – 10.11.2016

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