Trump gewählt: Der Tag danach
(New York) – Viele Amerikaner können es noch immer nicht glauben, dass Donald Trump ihr neuer Präsident wird. Am Tag nach seinem Wahlsieg kommt es neben in New York in vielen Städten zu Protesten gegen die Wahl von Donald Trump. Barack Obama wünscht sich eine friedliche Übergabe an Nachfolger Donald Trump, den er an diesem Donnerstag ins Weiße Haus zu einem Übergabegespräch eingeladen hat, und zudem bemüht er sich redlich um Schadensbegrenzung.
Nach dem überraschenden Sieg des Republikaners Donald Trump bei der US-Präsidentenwahl ist es zu Protestversammlungen in zahlreichen US-Städten gekommen. Tausende gingen auf die Straße, um vor allem gegen Trumps Wahlkampfäußerungen gegen Einwanderer und Muslime Front zu machen.
Sie skandierten häufig „Not my President“ (Nicht mein Präsident), so auch vor dem Trump-Tower in New York, den Wohn- und Firmensitz des designierten Präsidenten. Vor dem Gebäude stehen sandgefüllte Sattelschlepper zum Schutz.
Demonstrationen gab es unter anderem im New Yorker Stadtbezirk Manhattan, in Chicago und Austin. In Berkeley, Seattle, Phoenix, Los Angeles, Richmond, El Cerrito und Oakland kamen vor allem Hunderte von Schülern und Studenten zusammen. Sie hielten Schilder hoch mit Aufschriften wie „Keine Unterstützung für Rassismus“ oder „Einwanderer machen Amerika stark“. Weitere Protestaktionen waren in Boston, Detroit und Philadelphia geplant.
„Er ist nicht mein Präsident“
In der Hauptstadt Washington DC kamen in winterlicher Kälte hunderte Menschen zu einer Mahnwache mit Kerzen vor dem Weißen Haus zusammen. „Die Menschen haben einfach Angst“, sagte einer der Organisatoren, Ben Wikler von der linksliberalen Basisgruppe MoveOn.org. „Wir sind hier, um in den dunkelsten Momenten nicht alleine zu sein.“
In Los Angeles zogen hunderte zumeist junger Demonstranten vor das Rathaus und skandierten: „Er ist nicht mein Präsident.“ In der Stadt Portland im Westküstenstaat Oregon blockierten rund 300 Demonstranten zeitweise den Auto- und Straßenbahnverkehr in der Innenstadt.
Bereits in der Wahlnacht war es im kalifornischen Oakland zu ersten Ausschreitungen gekommen. Demonstranten setzten ein Porträt von Trump in Brand, schlugen die Scheiben von Geschäften ein und zündeten Autoreifen sowie Müll an.
Unterdessen riefen US-Präsident Barack Obama und Trumps unterlegene Rivalin Hillary Clinton die US-Bürger zur Einheit auf. „Wir alle sind nicht zuerst Demokraten oder zuerst Republikaner. Als allererstes sind wir alle Amerikaner“, sagte Obama in Washington. Der Rechtspopulist Trump gab sich in seiner Siegesrede versöhnlich und kündigte an, er wolle „Präsident aller Amerikaner“ sein.
Obama gratulierte seinem designierten Nachfolger, den er für Donnerstag zu Gesprächen über die Amtsübergabe ins Weiße Haus einlud, und versprach eine „erfolgreiche“ Machtübergabe. Er zeigte sich „ermutigt“ vom versöhnlichen Ton der Siegesrede Trumps. Zugleich appellierte er an seinen Nachfolger, das Regierungssystem und dessen Institutionen zu respektieren. Das Land brauche Einheit sowie „Respekt für unsere Art zu leben, Rechtsstaatlichkeit und Respekt voreinander“.
Clinton bot Trump am Tag nach der Wahl eine Zusammenarbeit an und wünschte ihm, dass er ein „erfolgreicher“ Präsident sein werde. Die Ex-Außenministerin war als Favoritin in die Wahl gegangen, Umfragen hatten der 69-Jährigen einen leichten Vorsprung vorausgesagt. Der Ausgang der Wahl sei nicht der, „den wir erhofft haben“, sagte Clinton. „Es ist schmerzhaft, und es wird für eine lange Zeit schmerzen.“
Der Wahlsieg des politisch völlig unerfahrenen Trump hat die Hoffnungen Clintons, erste Präsidentin der USA zu werden, begraben. Ihr selbst sei es nicht gelungen, die „gläserne Decke“ zu durchstoßen und als erste Frau ins Weiße Haus einzuziehen, sagte Clinton. „Aber eines Tages wird es jemandem gelingen“, zeigte sich die Demokratin überzeugt.
„Ich werde Präsident aller Amerikaner sein“, sagte der 70-jährige Trump vor jubelnden Anhängern in New York. „Jetzt ist es an der Zeit für Amerika, die Wunden der Spaltung zu verbinden, zusammenzukommen als geeintes Volk.“ Zugleich kündigte der Republikaner an, der am 20. Januar vereidigt wird, er wolle gute Beziehungen zu anderen Staaten anstreben. „Wir werden uns mit allen anderen Ländern verstehen, die willens sind, sich mit uns zu verstehen.“
Trump kam US-Fernsehsendern zufolge auf 290 Wahlleute, Clinton auf 228. Der Republikaner konnte die entscheidenden Bundesstaaten Florida, North Carolina und Ohio für sich gewinnen. Bei den Wählerstimmen landete Clinton laut CNN mit 47,7 Prozent sogar leicht vor Trump mit 47,5 Prozent.
Trumps Republikaner verteidigten überdies die Mehrheit in beiden Kongresskammern, was ihm das Regieren enorm erleichtern dürfte. Der Milliardär hat angekündigt, wichtige Reformen seines Amtsvorgängers wie die Krankenversicherung „Obamacare“ rückgängig zu machen.
„Nichts wird einfacher, vieles wird schwieriger“
Von den westlichen Partnern der USA wurde der Wahlausgang sehr verhalten aufgenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief Trump indirekt zur Einhaltung demokratischer Grundwerte auf. „Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an“, sagte sie in Berlin.
Noch deutlicher wurde Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD): „Ich will nichts schön reden. Nichts wird einfacher, vieles wird schwieriger.“ Gerade in der Außenpolitik seien „viele Fragen offen“, sagte er im ZDF. Am Sonntagabend wird es ein Sondertreffen der EU-Außenminister in Brüssel geben.
Trump hatte Europa im Wahlkampf mehrfach hart angegriffen, unter anderem will er das geplante Handelsabkommen TTIP stoppen. EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker schlugen Trump einen EU-USA-Gipfel in Europa vor, „sobald Ihnen dies möglich ist“.
Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte, er hoffe auf „gemeinsame Arbeit“, um den gegenwärtigen „kritischen Zustand“ der Beziehungen zwischen den USA und Russland zu beenden. Der Iran forderte Trump auf, sich an das internationale Atom-Abkommen zu halten.
von
Günter Schwarz – 10.11.2016