Fast alle Umfragen der vergangenen Monate, Wochen und Tage sagten einen Sieg Hillary Clintons voraus. Doch es kam bekanntlich völlig anders. Woran das Problem mit den Umfragen liegt, erklärt Politologe Louis Perron.

Es lagen ja nicht alle falsch. USC/L.A.-Times zum Beispiel hat immer einen Sieg Trumps vorausgesagt. Die haben mit der sogenannten „Panel Back Study“ gearbeitet. Das heisst, man hat die gleichen 3000 Leute während des Wahlkampfs immer wieder befragt. Diese Umfrage hat die ganze Zeit gesagt, dass Trump vorne liegt. Dann gab es noch die Umfrage des „Investors Business Daily“. Die hatten auch Donald Trump immer vorne.

Da gibt es drei Hypothesen, warum die klassischen Umfragen schiefgelaufen sind. Erstens: Die Leute haben gelogen. Zweitens: Viele haben in letzter Minute ihre Meinung geändert. Und drittens: Die Gewichtung der Resultate ist ein Problem. Man macht verschiedene Annahmen, mit denen man die einzelnen Interviews aus den Befragungen gewichtet. Wie bei uns gehen in den USA nur etwa die Hälfte der Wahlberechtigten wählen. Die Umfrageinstitute machen Annahmen darüber, wie sich diese Hälfte der Nichtwähler sozio-demographisch zusammen setzt und gewichten die erhobenen Rohdaten entsprechend. Wenn sich diese Annahmen als falsch entpuppen, sind auch die Resultate falsch. Meine Vermutung ist, dass es vor allem am dritten Punkt lag.

Man die Nichtwähler falsch gewichtet, denn Trump sagte während des Wahlkampfes mehrfach: „Es werden Leute wählen gehen, die sonst nicht wählen.“ Er sprach von einer „Bewegung“, statt von einer politischen Kampagne. Auch Michael Moore, der Regisseur aus Michigan, wo sehr viele Menschen Trump gewählt haben, hatte Recht mit seinen Warnungen. Dass nämlich die Leute aus Michigan Trump wählen würden.

Es gibt ein gewisses Muster im sogenannten „Rustbelt“ (Rostgürtel), also dem einstigen Industriegebiet der USA. Leute mit niedrigem Einkommen und schlechter Bildung, die sonst Demokraten wählen, haben für den nationalistischen Außenseiter gestimmt, der ihnen einen „Change“ versprach. Man nennt diese Wähler auch Ronald-Reagan-Democrats: Leute, die weiß sind, ein tiefes Einkommen haben, vielleicht sogar in einer Gewerkschaft sind und normalerweise demokratisch wählen – die aber den Außenseiter Reagan gewählt haben, und jetzt auch Trump.

Und gelogen haben diese Leute sicherlich nicht, wie man aus der Arbeit mit Meinungsforschungsinstituten weiß. Die Leute sagen wirklich ihre ehrliche Meinung, und viele Menschen haben in den Umfragen gesagt, das Land geht in die falsche Richtung. Sie sagten auch immer wieder, sie sind mit ihrer Situation unzufrieden. Also typische „Change-voters“ (Wechselwähler). Und die FBI-Untersuchung so unmittelbar vor dem Wahltag hat Hillary Clinton mit Sicherheit auch nicht geholfen.

von

Günter Schwarz – 10.11.2016