(Münster) – Europa-, Steuer-, Energie- und Verkehrspolitik sowie eine Diskussion über soziale Gerechtigkeit stehen auf der Tagesordnung der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen, wobei im Mittelpunkt dürfte der Streit über den Kurs in der Steuerpolitik stehen.

„Wir bleiben unbequem!“ Das Motto des Grünen-Bundesparteitags in Münster ist in diesen Tagen Programm. Es birgt eine unfreiwillige Komik, wenn Bundesgeschäftsführer Michael Kellner das Motto erläutert: „Das heißt auch, wir sind unbequem zu uns selbst, wir stellen unsere eigenen Positionen immer wieder auf den Prüfstand, wir führen kontroverse Debatten auf offener Bühne.“

Denn genau das passiert gerade. Wieder einmal, muss man sagen – und wieder einmal geht es um die Steuerpolitik. Beim Thema Steuerpolitik konnten sich die Grünen bislang nicht einigen: Streitpunkt ist die Frage, ob eine Vermögenssteuer ins Wahlprogramm geschrieben werden soll. Auf dem Parteitag soll heute ein Beschluss fallen, mehrere Anträge liegen vor.

Dabei wollten die Grünen genau das unbedingt vermeiden: Dass sie wieder einen Steuer-Wahlkampf führen wie 2013. Damals zogen sie mit der Forderung nach einem höheren Spitzensteuersatz und einer Vermögenssteuer in die Bundestagswahl – und holten mit 8,4 Prozent ein aus Grünen-Sicht enttäuschendes Ergebnis. Trotzdem dreht sich nun doch wieder alles um ein Thema: Die Vermögenssteuer.

Lange Suche nach einem Konzept

Zwei Jahre lang hat eine Kommission um die Parteispitze ein Steuerkonzept erarbeitet, das jedoch in zentralen Fragen viel Raum lässt für einen Richtungsstreit, beispielsweise in der, ob es eine Vermögenssteuer geben soll oder nicht. Ja, sagt der linke Parteiflügel um Parteichefin Simone Peter. Nein, sagen die Realos um den Co-Vorsitzenden Cem Özdemir.

Gegen die Forderung einer Vermögenssteuer ist besonders Winfried Kretschmann. Der baden-württembergische Ministerpräsident wird sich heute zu seinem Standpunkt vor den rund 800 Delegierten äußern. Insgesamt stehen fünf Steuerkonzepte zur Auswahl.

Parteichef Cem Özdemir hatte seine Partei gestern wegen des Dauerstreits um die Besteuerung großer Vermögen kritisiert. „Bei aller Einigkeit in den Zielen führen wir viel zu oft Selbstgespräche, welches Instrument für eine gerechtere Gesellschaft wir gut und welches wir schlecht finden.“ Draußen bleibe der Eindruck hängen, die Partei sei beim Thema Gerechtigkeit gespalten und ohne klaren Kurs.

Dass eine Verständigung dennoch flügelübergreifend möglich ist, zeigen die beiden Fraktionsvorsitzenden. Anton Hofreiter, linker Flügel, und Katrin Göring-Eckardt, Realo-Vertreterin, haben einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der „die Einführung einer ergiebigen und umsetzbaren Vermögenssteuer für Superreiche“ vorsieht. Wer jedoch „superreich“ ist, wird nicht weiter definiert.

Der Vorsitzende Özdemir ist dennoch zuversichtlich, dass die Delegierten den Streit am Wochenende beilegen. „Es wäre absurd, wenn wir uns bei der Vermögenssteuer nicht einigen und da keinen Kompromiss hinkriegen“, meint Cem Özdemir

von

Günter Schwarz  – 12.11.2016