(Grumby) – Nun ist auch der erste Großbetrieb betroffen: In einer geschlossenen Hühnerhaltungsanlage mit rund 30.000 Tieren in in Grumby in der Gemeinde Twedt im Kreis Schleswig-Flensburg ist Geflügelpest festgestellt worden. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) habe am Sonnabend den hochansteckenden Erreger des Subtyps H5N8 nachgewiesen, teilte das Landwirtschaftsministerium mit. Alle Tiere werden von Sonntag an der Geflügelpest-Verordnung entsprechend getötet. „Damit ist erstmals in Schleswig-Holstein der Geflügelpesterreger in einer geschlossenen Tierhaltung nachgewiesen worden“, teilte das Ministerium mit. „Wir können nur hoffen, dass es ein Einzelfall ist. Aber auch diesen Einzelfall hätte ich vor drei Tagen nicht für extrem unwahrscheinlich gehalten“, sagte Umweltminister Robert Habeck (Grüne).

Virus besonders aggressiv

Wie der Erreger in den Betrieb gelangen konnte, ist unklar. Umweltminister Habeck sagte bei einer Pressekonferenz, dass man davon ausgehe, dass das Virus äußert aggressiv sei. Anders sei nicht zu erklären, dass er in die Anlage gekommen sei, da diese bis auf eine Lüftungsanlage komplett von der Umwelt abgeschottet ist. Um aufzuklären, wie das Virus in die Anlage gekommen, kommen Experten des Friedrich-Loeffler-Instituts nach Schleswig-Holstein.

Habeck war wegen der Geflügelpest aus Münster angereist. Hier sollte am Sonnabend das Urwahlforum der Grünen zur Kür ihrer Bundestagswahl-Spitzenkandidaten stattfinden. Dieses fiel jetzt aus.

3.000 Tiere bereits verendet

Der Betrieb steht allein auf weitem Feld – etwa 500 Meter vom Twedter Ortsteil Grumby entfernt. Ein Polizeiwagen sperrt die einzige Zufahrt zu dem in einer Sackgasse gelegenen Hof ab. Der Hof besteht aus drei länglichen Gebäuden, in denen laut Landwirtschaftsminister Habeck jeweils 10.000 Tiere untergebracht sind.

Bereits seit Mittwoch hatte es nach Angaben des Ministeriums in dem Betrieb vereinzelte Todesfälle bei Hühnern gegeben. Sie waren zunächst aber in Zusammenhang mit dem Ausfall einer Lüftung gebracht worden. Der Tierhalter beauftragte daraufhin ein privates Labor. Nachdem dieses am Freitag einen Verdacht festgestellt hatte, wurden amtliche Proben genommen. Das FLI bestätigte die Vermutung. Laut Polizei sind 3.000 der Tiere mittlerweile bereits verendet. Bei den anderen Tieren sei in den kommenden 24 Stunden damit zu rechnen. Das FLI will ein Team von Epidemiologen zur Klärung der Ursache der Einschleppung nach Schleswig-Holstein schicken.

Möglicherweise wurde Virus nach Dänemark weitergetragen

Laut dem Landrat des Kreises Schleswig-Flensburg, Wolfgang Buschmann, handelt es sich um einen Zuchtproduzenten. Das heißt: Eier werden verkauft, damit sie ausgebrütet werden können. Manche Eier sind Buschmann zufolge nach Dänemark exportiert worden. Da das Virus übertragbar ist, bestehe also die Möglichkeit, dass er bereits nach weitergetragen wurde.

Spezialbetrieb übernimmt Keulung

Einer Polizeisprecherin zufolge kommt am Sonntagmittag ein Spezialbetrieb auf den Hof, um die Tiere zu keulen. Dies wird laut Buschmann vermutlich bis Montag dauern. Vorher wird die Freiwillige Feuerwehr eine sogenannte Desinfektionsschleuse einrichten, durch die die Mitarbeiter auf den Betrieb kommen.

Rund um den Betrieb hat der Kreis einen Sperrbezirk von drei Kilometern und ein Beobachtungsgebiet von weiteren sieben Kilometern eingerichtet. Die Polizei habe den Betrieb in Angeln zudem abgesperrt, teilte das Ministerium mit. Aus Gründen des Tierseuchenschutzes sei es fremden Personen untersagt, das Gelände zu betreten. Der Betrieb ist der einzige Großbetrieb im Sperrbezirk. Die 43 anderen Geflügelhalter haben insgesamt 1.500 Tiere. Sie wurden informiert. Die Halter fürchten eigenen Angaben zufolge nun, ihre Tiere nicht absetzten zu können.

Vierter Sperrbezirk im Norden

Es ist das vierte Sperrgebiet dieser Art in Schleswig-Holstein: Die anderen liegen in den Kreisen Plön, Segeberg, Rendsburg-Eckernförde, in und um die kreisfreie Stadt Lübeck sowie an anderer Stelle im Kreis Schleswig-Flensburg. In solchen Gebieten gelten Auflagen: Geflügel darf nicht transportiert werden und muss regelmäßig untersucht werden. Von den Beobachtungsgebieten sind auch alle Hunde- und Katzenbesitzer betroffen. Sie dürfen ihre Tiere in den betroffenen Gebieten nicht mehr frei laufen lassen. Landwirtschaftsminister Habeck wies wiederholt daraufhin, dass das Betreten eines betroffenen Hofs ordnungswidrig und somit das mögliche Verschleppen des Virus eine Straftat sei.

Krisenstab einberufen

Angesichts der Ausbreitung der Vogelgrippe-Epidemie hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) den Zentralen Krisenstab Tierseuchen einberufen. Dieser sollte am Samstagnachmittag zusammenkommen, erklärte Schmidt. „Aufgrund der aktuellen Entwicklungen bedarf es schneller, effizienter Koordination und Entscheidungen.“ Landwirtschaftsminister Habeck begrüßte die Einrichtung des Krisenstabs. Der nationale Krisenstab besteht aus den Staatssekretären sowie aus Experten von Bund und Ländern.

Stallpflicht im Norden

Auch Mecklenburg-Vorpommern ist von der Vogelgrippe betroffen. Dort und in Hamburg gilt von Montag an eine Stallpflicht. Auch viele Landkreise in Niedersachsen reagierten auf den Ausbruch und verhängten mit sofortiger Wirkung vorsorglich eine Stallpflicht. In Schleswig-Holstein müssen Hühner, Gänse und alle anderen Geflügelarten seit Dienstag im Stall oder einer Volière bleiben.

Ansteckung des Menschen „unwahrscheinlich“

Infektionen von Menschen mit den Viren sind laut FLI bislang weltweit nicht nachgewiesen worden. Eine Ansteckung über infizierte Lebensmittel ist nach Auskunft des Bundesinstituts für Risikobewertung „theoretisch denkbar, aber unwahrscheinlich“.

Tote Wildvögel wurden auch aus der Schweiz, Österreich und der Region Bodensee in Baden-Württemberg gemeldet. Laut dem Stuttgarter Agrarministerium wurde dort ebenfalls der Geflügelpest-Erreger H5N8 nachgewiesen. In der Region Bodensee wurde eine Stallpflicht für Geflügel erlassen. In Polen und Ungarn waren zuvor Vogelgrippe-Fälle entdeckt worden, bei denen es sich wohl um die besonders krankmachende Variante handelt. Die Verbreitung hängt laut Friedrich-Löffler-Institut mit dem aktuellen Vogelzug zusammen.

von

Günter Schwarz – 13.11.2016