(Berlin) – Mit großer Spannung war ihre Entscheidung erwartet worden, am heutigen Sonntag hat Angela Merkel nun angekündigt, ein viertes Mal für das deutsche Bundeskanzleramt kandidieren zu wollen. Das sagte sie nach übereinstimmenden Agenturmeldungen in Berlin vor versammelter CDU-Spitze. Die 62-Jährige kündigte zudem an, sich erneut für den Vorsitz der Christdemokraten zu bewerben.

Das CDU-Präsidium und der Bundesvorstand der kamen Sonntagnachmittag in Berlin zu einer Klausurtagung zusammen, auf der der Leitantrag für den Bundesparteitag verabschiedet werden soll. Merkel hatte für den Abend eine Pressekonferenz angesetzt, es war erwartet worden, dass sie sich dabei zu ihren Plänen äußert. In den vergangenen Tagen waren immer mehr Unionspolitiker davon ausgegangen, dass sie für beide Ämter erneut antreten wird. Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel machte deutlich, dass er damit rechnet.

Wahl im Herbst 2017

Die Bundestagswahl in Deutschland soll planmäßig im Herbst 2017 stattfinden. Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich einer Umfrage zufolge eine weitere Amtszeit von Kanzlerin Merkel. 55 Prozent der Befragten hätten sich entsprechend geäußert, berichtete die deutsche Boulevardzeitung „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf eine Emnid-Umfrage.

Die CDU wählt am 6. Dezember beim Bundesparteitag in Essen ihre Spitze neu. Merkel ist seit April 2000 CDU-Vorsitzende und seit November 2005 Kanzlerin. Sollte sie 2017 zum vierten Mal gewinnen, hat sie die Chance, CDU-Mitbegründer Konrad Adenauer und auch Rekordhalter Helmut Kohl einzuholen. Adenauer war 14 Jahre, Kohl 16 Jahre Bundeskanzler.

Trotz Krisen konkurrenzlos

Merkel gilt trotz der Flüchtlingskrise im vorigen Jahr und trotz der daraufhin einbrechenden Beliebtheitswerte für sie persönlich und die ganze Union als konkurrenzlos in der CDU. International wird sie nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA als letzte Verteidigerin westlicher Werte gesehen. Der scheidende US-Präsident Barack Obama nannte sie „zäh“ und erklärte bei seinem Abschiedsbesuch am Donnerstag, wäre er Deutscher, würde er sie wählen.

SPD: „Mythos der Unbesiegbarkeit“ vorbei

Die SPD reagiert gelassen auf die Ankündigung Merkels, erneut als deutsche Kanzlerin zu kandidieren. Merkels Aussage sei „weder überraschend noch abschreckend“, sagte Parteivize Ralf Stegner am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters. Ihr „Mythos der Unbesiegbarkeit“ sei vorbei, und die Union müsse sich aufgrund der ewigen Querelen eher in „Zwietracht“ umbenennen.

Es sei auch zu hoch gegriffen, Merkel als Retterin der freien Welt zu bezeichnen, wie das in diesen Tagen zu hören sei. „Aber unterschätzen tun wir sie natürlich nicht, das wäre ein großer Fehler“, sagte Stegner weiter. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende kündigte an, seine Partei werde einen Wahlkampf mit eigenem Gerechtigkeitsprofil führen. Hauptkonkurrent sei die Union. Vor allem wolle die SPD etwas gegen den erstarkenden Rechtspopulismus tun.

Linke erwarten Stillstand

Die deutschen Linken sagen für den Fall einer weiteren Amtszeit von Merkel Stillstand in Deutschland voraus. „Die erneute Kandidatur von Angela Merkel ist ein Signal dafür, dass sich nichts im Land ändern soll“, sagte Parteichef Bernd Riexinger am Sonntag der dpa in Berlin. „Es droht erneut eine Große Koalition und damit ein ‚Weiter so‘ der Politik der sozialen Spaltung.“

Die CDU habe aber keinen Grund, schon zu siegesgewiss zu sein. „Eine Kandidatur von Frau Merkel ist noch keine gewonnene Wahl“, sagte Riexinger, auch wenn Merkel ankündigt, wieder für den CDU-Vorsitz und das Kanzleramt kandidieren zu wollen.

von

Günter Schwarz – 20.11.2016