Das bekannte französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ erscheint ab nächster Woche auch in Deutschland – in einer übersetzten Version. Die Startauflage ist ambitioniert und beträgt rund 200.000 Exemplare. Was sagen die Deutschen dazu?

„Charlie Hebdo“ ist seit dem Anschlag auf die Redaktion am 7. Januar 2015 zum Symbol für Pressefreiheit geworden. Das will die Publikation nutzen und wagt den Einstieg in den deutschen Markt.

„Charlie Hebdo“ kommt gleich mit einer Auflage von 200.000 Exemplaren auf den deutschen Markt – und das ist ein mutiger Schritt? Ob die Auflage in der Höhe gehalten werden kann, ist sehr fraglich, aber ein Versuch ist es durchaus wert. Ob das Magazin zu einem würdigen und echten Konkurrenten zum deutschen Satiremagazin „Titanic“ wird, muss abgewartet werden. Grundsätzlich ist es aber gut, wenn den Deutschen auch von außen ein wenig Kultur nähergebracht wird.

Aber gibt es denn überhaupt genügend Leser für ein weiteres Satire-Magazin hier im Land? Man hat schon einige Produkte kommen und gehen sehen. Insofern bleibt abzuwarten, ob der deutsche Markt genügend groß für wöchentlich weitere 200.000 Satire-Leser ist, aber vielleicht schafft das ja „Charlie Hebdo“. Auf jeden Fall hat das Magazin einen besonderen Ruf, und das ist zumindest schon einmal ein Startvorteil. Jetzt muss allerdings auch noch die Qualität stimmen.

Für die deutsche Ausgabe sollen vor allem Texte und Karikaturen des französischen Originals übersetzt werden. Ob und inwieweit das funktionieren kann, muss als problematisch angesehen werden, denn wenn man früher die MAD-Hefte von Herbert Feuerstein gelesen hat – der hat da viele amerikanische Sachen ins Deutsche übertragen – dann weiß man, dass es gewisse Knackpunkte gibt. Muss man etwa bei einem Witz auch die Bezugspersonen ändern? Ein Spruch über irgendeinen französischen Politiker lässt sich ja nicht so einfach übertragen. Findet man den Witz gut, versucht man, das Gleiche mit einem deutschen Politiker. Aber funktioniert dann die Pointe noch? – Es kommt darauf an, wie international die Witze von „Charlie Hebdo“ sind, und ob das Material reicht, jede Woche ein ganzes Heft zu füllen.

Satire ist zweifellos an die jeweilige Kultur und Gesellschaft gebunden, und sie ist vor allem auch sprachgebunden. Comic hat viel mit Wortwitz und der Herstellung von Beziehungen über Sprache zu tun. Das ist sicherlich nicht einfach, wenn sich „Charlie Hebdo“ etablieren will. Sicher genügen nicht nur französische Übersetzungen, sondern es müssen auch originale deutsche Texte publiziert werden.

Die Inhalte von „Charlie Hebdo“ gelten in Frankreich als sehr derb. Es gibt immer wieder Kritik und es kommt hin und wieder auch zu Klagen – funktioniert diese Derbheit in Deutschland? Diese Frage wurde nach den Anschlägen auch in Deutschland von vielen als Satire beispielsweise im Fall Böhmermann hochgehalten, die es zu verteidigen gilt. Aber es ist nicht auszuschließen, dass der eine oder andere enttäuscht sein wird, wenn er realisiert, wie oft Ereignisse aus der Weltpolitik bei „Charlie Hebdo“ auf „Analverkehr“ reduziert wird.

Über eines muss sich jeder Freund der Satire im Klaren sein: eigentlich ist Satire im Kern gar nicht dafür gemacht, verkauft zu werden. Es ist etwas, was gegen den herrschenden Konsens in der Gesellschaft produziert wird, und das ist traditionell nicht das verkaufsträchtigste.

von

Günter Schwarz – 26.11.2016