Die türkische Polizei hat die am Samstag festgenommene Reporterin Hatice Kamer wieder freigelassen. Sie sagte dem WDR, dass sie nun angeklagt werde – der gegen sie erhobene Vorwurf lautet: „Unterstützung der Terrororganisation PKK.“

Die Korrespondentin wurde nach Angaben ihrer Familie in der südosttürkischen Provinz Siirt festgenommen, als sie über ein Grubenunglück berichteten wollte. Die 39-Jährige ist eine der wenigen Journalisten, die noch aus den Gebieten mit kurdischer Bevölkerungsmehrheit im Südosten der Türkei berichten. Kamer sagte in einem ersten Telefongespräch nach der Freilassung dem WDR, es gehe ihr den Umständen entsprechend gut. Man habe ihr mitgeteilt, dass sie sich nun einem Prozess stellen müsse. Die Anklage werfe ihr vor, die Terrororganisation PKK unterstützt zu haben. Dafür gebe es keinerlei Belege, erklärte die 39-jährige Journalistin.

Nach früheren Angaben ihrer Familie hatte die Polizei Kamer vorgeworfen, Fotos auf militärischem Gebiet gemacht zu haben. Danach wurde sie an einem Polizeikontrollpunkt zusammen mit ihrem Fahrer festgenommen. Der Fahrer wurde freigelassen. Kamer wurde bei der dortigen Polizei in das Dezernat für Terrorbekämpfung gebracht. Ihre Familie und der Anwalt vermuten, Hintergrund der Verhaftung könne Kamers Berichterstattung für ausländische Medien über in der Türkei unliebsame Themen sein.

Zunächst hieß es, dass Kamer im Rahmen des Ausnahmezustandes, der seit dem Putschversuch in der Türkei gilt, fünf Tage keinen rechtlichen Beistand bekommen solle. Daher habe die schnelle Freilassung überrascht, sagte ihr Anwalt dem WDR. Kamer ist kurdischer Abstammung und lebt in der Großstadt Diyarbakir. Sie ist langjährige Reporterin des WDR. Außerdem arbeitet sie für die Sender BBC und Voice of America. Zurzeit berichtet sie für die WDR 3 Sendung „Türkei unzensiert““ über die Ereignisse im Südosten des Landes.

In der türkischen Medienlandschaft gibt es kaum noch Abnehmer für kritische Beiträge aus der Region. „Viele internationale Medien arbeiten mit der Reporterin zusammen, gerade weil sie eine der wenigen Journalisten ist, die dort lebt“, sagt WDR-Redakteurin Ayca Tolun. „Sie hat natürlich einen ganz anderen Einblick in die Region.

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) hatte die Festnahme der Reporterin scharf kritisiert. Der erneute Fall zeige, wie die türkische Regierung derzeit unliebsame Journalisten drangsaliere. Kamer habe bis zu ihrer Festnahme zu den ganz wenigen Kollegen gezählt, „von denen wir noch unabhängige Nachrichten aus dem Land bekommen haben“, erklärte der DJV-Vorsitzende Frank Überall am Sonntag.

von

Günter Schwarz – 28.11.2016