Auch wenn die Erleichterung über den Sieg von Alexander Van der Bellen in Österreich sehr groß ist, das Problem in Italien ist schwerwiegender. Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone und politische Instabilität in Italien beschäftigt natürlich weitaus stärker in Brüssel als der Sieg von Alexander Van der Bellen. Mit der politischen Unsicherheit besteht die Gefahr, dass sich Italien ökonomisch nicht erholt. Und das könnte zu einem grundsätzlichen Problem für die Eurozone werden.

Mit Renzi verliert die EU natürlich auch einen wichtigen Partner, das Auswirkungen auf die Gemeinschaft haben wird. Ein Blick auf die europäische Landkarte erklärt einiges. Spanien mit Premierminister Rajoy führt eine Minderheitsregierung an. Frankreich mit François Hollande, der nicht mehr zur nächsten Präsidentenwahl antreten wird. Italien mit Matteo Renzi, dem EU-Freund, der seinen Rücktritt eingereicht hat. Die Niederlande mit dem Anti-Europäer Geert Wilders, der möglicherweise im kommenden Jahr die stärkste Partei im Land anführen wird. Großbritannien hat für einen EU-Austritt gestimmt. Und Polen hat eine anti-europäische Regierung. In diesem ganzen anti-europäischen Gebilde haben wir einzig noch Deutschland, das Stabilität ausstrahlt. Und in dem Kontext ist es für die EU sehr schwierig, wenn es Mitgliedsländer gibt, die mit sich selber beschäftigt sind. Das heißt für die EU im Wesentlichen, dass sie blockiert ist.

Es kommen unruhige Zeiten auf die EU zu. Heute treffen sich die Eurofinanzminister in Brüssel, die zwangsläufig Konsequenzen aus dem Referendum ziehen müssen. In Italien haben viele Bürgerinnen und Bürger Nein zu dieser Verfassungsreform gesagt, weil sie mit der ökonomischen Situation im Land nicht zufrieden sind. Somit stehen mehrere zentrale Fragen im Raum: Hat Europa in den vergangenen Jahren die richtige Politik betrieben? Hat sie nicht zu viel gespart? Was heißt das für die Zukunft? Muss allenfalls künftig die Architektur der Eurozone angepasst werden? Braucht es vielleicht nicht mehr Solidarität und Ausgleichsmaßnahmen zwischen den Ländern? Antworten darauf werden sich heute sicher nicht finden lassen. Aber diese Fragen werden bestimmt wieder auf der politischen Tagesordnung auf.

Die EU muss sich überlegen, ob sie zentral Investitionen tätigen und eine europäische Arbeitslosenversicherung einführen will. Dies könnte ein Weg in die Zukunft sein. Allerdings: im kommenden Jahr stehen Wahlen in den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und möglicherweise in Italien an. Erst nach diesen Wahlen können Zukunftsfragen angepackt werden. Denn Voraussetzung dafür sind stabile politische Verhältnisse – vorausgesetzt die Staatschefs wollen diese Fragen angehen.

von

Günter Schwarz – 05.12.2016