(Wien) –Es war den Vorhersagen lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden österreichischen Bundespräsidentschaftskandidaten – was hat jetzt nach dem 11-monatigen Wahlkampf den Ausschlag gegeben für dieses doch recht deutliche Resultat für Alexander Van der Bellen geführt? Jedenfalls ist den meisten Menschen in Europa ein Stein vom Herzen gefallen.

Offensichtlich ist es Alexander Van der Bellen besser gelungen, seine Wähler zu erreichen und sie zu mobilisieren, zur Wahl zu gehen und ihm ihre Stimme zu geben. Das ist eigentlich eine Überraschung, denn Norbert Hofer war in praktisch allen TV-Duellen der bessere Kandidat, er hat seinen Gegner oft in die Defensive geschlagen – aber er war dabei auch oft herablassend und beleidigend, und das hat die Wählerschaft offenbar nicht sonderlich überzeugt. Letztlich geht es hier um das Amt des Bundespräsidenten, und das verlangt in erster Linie Würde und Übersicht und nicht so sehr Aggressivität und Schlagfertigkeit.

Diese Wahl stellt auf jeden Fall ein Wendepunkt in der politischen Kultur Österreichs dar, obwohl das Ergebnis zeigt, dass der von vielen erwartete Rechtsrutsch in Österreich aufgehalten wurde – oder vielleicht sollte man besser sagen er wurde aufgeschoben. Aufgeschoben deshalb, weil die meisten Kenner der politischen Verhältnisse Österreichs erwarten, dass die große Koalition von ÖVP und SPÖ in den nächsten Wochen oder Monaten auseinanderbrechen wird und dass es zu Neuwahlen kommt. Dort liegt Hofers FPÖ in allen Umfragen vorne. Das Spiel ist sicher noch nicht aus – für Hofer ist gestern nur eine Schlacht verloren gegangen.

Die Wahlen hinterlassen ein gespaltenes Land, denn noch nie wurde ein Wahlkampf in Österreich dermaßen aggressiv und so schmutzig geführt. Es ist zu befürchten, diese politische Un-Kultur bleiben und sich auch auf die nächsten Parlamentswahlen auswirken wird.

von

Günter Schwarz  – 05.12.2016