(Frankfurt/M.) – Trotz wachsender Konjunktursorgen nach dem Brexit-Votum setzt die Europäische Zentralbank an ihre Geldpolitik fort und ändert zunächst nichts. Die EZB belässt den Leitzins der Eurozone unverändert bei null Prozent – und damit weiter auf einem Rekordtief. Ein Zurückfahren des Programms wurde bei der Sitzung des EZB-Rats „nicht diskutiert“, so Zentralbankpräsident Mario Draghi.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen erwartungsgemäß nicht angetastet. Die Währungshüter beließen den Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von null Prozent. Das beschloss der EZB-Rat nach Angaben der Notenbank in Frankfurt am Main. Auf diesem Rekordtief liegt er bereits seit März.

Lagern Banken ihr Geld kurzfristig bei der EZB ein, statt es an Unternehmen zu verleihen, zahlen sie weiterhin einen Strafzins von 0,4 Prozent. Bei kurzfristigen Kapitalspritzen und sogenannten Übernachtkrediten werden weiterhin 0,25 Prozent Zinsen fällig.

Zuletzt hatte es Spekulationen gegeben, dass die EZB die Anleihekäufe langsam reduzieren könnte. Draghi bezeichnete derartige Berichte als „Aussage von von jemandem, der keine Ahnung und keine Informationen darüber hatte“. Das Programm mit einem Umfang von monatlich 80 Milliarden Euro läuft vorerst bis Ende März. Auch über eine mögliche Verlängerung wurde laut Draghi auf der Ratssitzung nicht gesprochen.

Das Brexit-Votum hat die Wirtschaft der Eurozone nach Einschätzung von EZB-Präsident Mario Draghi nicht aus der Bahn geworfen. „Nach dem britischen Referendum ist unsere Einschätzung, dass die Finanzmärkte der Euro-Zone der erhöhten Unsicherheit und Volatilität mit Mut und Belastbarkeit begegnet sind“, sagte er nach der EZB-Ratssitzung Allerdings erhöhe der geplante EU-Austritt die Konjunkturrisiken.

Die vorliegenden Daten würden ein anhaltendes Wachstum im zweiten Quartal signalisieren. Allerdings dürfte es geringer ausfallen als zu Jahresbeginn. Die Lage könne in den kommenden Monaten besser bewertet werden, wenn weitere Konjunkturdaten vorlägen, ergänzte Draghi. Er machte klar, dass die EZB notfalls zum Handeln bereit sei und alle ihr zur Verfügung stehende Instrumente nutzen werde.

Volkswirte hatten damit gerechnet, dass die Währungshüter ihre Geldpolitik zunächst nicht ändern. „Die überraschende Ruhe an den Finanzmärkten gibt auch der EZB Luft“, erklärte Targobank-Chefvolkswirt Otmar Lang. Angesichts der wachsenden Unsicherheit nach dem Nein der Briten zur Europäischen Union wird die EZB Ökonomen zufolge ihre ultralockere Geldpolitik möglicherweise im September weiter lockern. Dann liegen auch die neuesten Prognosen zur Inflations- und Konjunkturentwicklung im Euroraum vor.
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afp / Günter Schwarz – 09.12.2016