Die Saat, die Donald Trump während seines Wahlkampfs gesät hat, geht jetzt auf, denn Hetzbriefe an Moscheen und Hakenkreuzschmierereien an Synagogen sowie Beschimpfungen und körperliche Angriffe auf Juden und Muslime in den USA häufen sich. Die Zahl rassistisch motivierter Übergriffe in den USA ist seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten rasant angestiegen. Juden und Muslime fühlen sich bedroht – und rücken zusammen. 

„Ihr Muslime seid ein abscheuliches, schmutziges Pack“ – so steht es in dem Brief, verschickt an mehrere Moscheen in Kalifornien. Präsident Donald Trump „wird mit Muslimen das tun, was Hitler mit den Juden gemacht hat“, heißt es weiter. Den Absender konnte die Polizei noch nicht ermitteln.

Muslima die Treppe hinuntergestoßen

In New York tauchten auf einem Spielplatz in Brooklyn und auf einem U-Bahn-Waggon Hakenkreuz Schmierereien auf. Anfang dieser Woche hetzte ein Mann seinen Kampfhund auf eine Polizistin und beschimpfte sie als IS-Terroristin. Ein anderer stieß eine U-Bahn-Mitarbeiterin eine Treppe hinunter. Beide Frauen sind Muslimas und trugen Kopftuch.

Die Polizistin El Sokary und ihr 16-jähriger Sohn wurden Opfer eines rassistischen Übergriffes, indem ein Unbekannter sie auf offener Straße beleidigt und gedroht hatte, seinen Hund auf sie zu hetzen. Er bezeichnete sie als Terroristen und schrie, sie sollten das Land verlassen. El Sokarys Heimat ist New York, sie hat dort Familie. Und sie arbeitet in New York schon seit Jahren als Polizistin.

„Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich beschütze meine Stadt, und ich weiß, dass meine Stadt auch mich beschützt.“ Aml El Sokary sitzt in einer Pressekonferenz zwischen Bill de Blasio, dem Bürgermeister von New York, und James P. O’Neill, Polizeichef der Stadt.

Allein in New York hat sich die Zahl von „Hate Crimes“ – also rassistisch motivierter Übergriffe – im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Die Statistik ist alarmierend und der Zusammenhang mit dem Wahlsieg von Donald Trump eindeutig: „Mr. Trumps Rhetorik hat Hass, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus normalisiert. Und diese Übergriffe sind die unvermeidlichen Begleiterscheinungen“, meint Afaf Nasher, Chef des Council on American-Islamic Relations in New York.

Brücke gegen Hass

„Mit jedem neuen Vorfall wächst die Furcht“, sagt Sheryl Olitzky. „Muslimische Kinder haben Sorge, deportiert zu werden, und jüdische Kinder haben Angst, dass die Nazis zurückkommen.“ Olitzky ist selbst Jüdin. Vor sechs Jahren hat sie Polen besucht. „Dort begriff ich, dass der Hass auf die ,anderen‘ den Holocaust erst möglich gemacht hat.“ Zurück in den USA, gründete die mit einem Rabbi verheiratete Olitzky gemeinsam mit der Muslimin Atiya Aftab die „Sisterhood of Salaam Shalom“. Ihre Mission: Brücken bauen zwischen jüdischen und muslimischen Familien. „Wir sind kein Hausfrauen-Club, sondern eine Friedensbewegung“, betont sie.

Heute ist Olitzkys Friedensbewegung wichtiger denn je. Die Organisation hat seit der Präsidenten-Wahl Anfang November hunderte Briefe bekommen von jüdischen und muslimischen Frauen, die einen sicheren Hafen suchen, eine Gemeinschaft, in der sie sich Rat und Trost holen und sich austauschen können über Glauben und Politik, über Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

„Wie in Nazideutschland“

Bei der jährlichen Konferenz der „Sisterhood of Salaam Shalom“ am vergangenen Wochenende in New Jersey gab es ein beherrschendes Thema: die Welle antisemitischer und anti-islamischer Vorfälle. Donald Trumps Drohung aus dem Wahlkampf, eine nationale Registrierung für Muslime einzuführen, erinnert viele an den Beginn der Judenverfolgung in Nazideutschland. „Woher wussten die Juden, wann es Zeit war zu fliehen“, fragte eine muslimische Konferenz-Teilnehmerin.

„Juden wissen was es heißt, gekennzeichnet, markiert, in Listen eingetragen und ausgegrenzt zu werden“, sagte Jonathan Greenblatt, Vorsitzender der „Anti Defamation League“, kürzlich in einem Interview. „Sollten Muslime jemals gezwungen werden sich registrieren zu lassen, werde ich mich, obwohl Jude, ebenfalls registrieren lassen.“

Fluchtpläne im Hinterkopf

Die Solidarität vieler amerikanischer Juden mit den Muslimen ist groß – trotz der jahrzehntelangen Spannungen zwischen beiden Gruppen wegen des Konflikts im Nahen Osten zwischen Israel und Palästina. „In den vergangenen Jahren ist der Hass auf Muslime und der Anti-Semitismus rasant gewachsen. Das hat dazu geführt, dass sich immer mehr Menschen der Gemeinsamkeiten ihrer beiden Religionen bewusst geworden sind“, meint Haroon Moghul, leitender Wissenschaftler am Center for Global Policy, einem New Yorker Think Tank. „Es hat definitiv einen Wandel gegeben und zwar zum Positiven.“

Das klingt gut und beruhigend. „Trotzdem haben 60 Millionen Menschen in diesem Land Trump gewählt“, meint die muslimische Teilnehmerin der „Sisterhood of Salaam Shalom“ Konferenz. „Noch bin ich nicht soweit, an Flucht zu denken. Aber ich glaube, wir brauchen einen Plan.“

von

Günter Schwarz – 10.12.2016