Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland sind in der EU nicht unumstritten. Dennoch wurden sie jetzt verlängert. Unter den Maßnahmen der längeren Sanktionen gegen Russland leide aber vor allem die Bevölkerung. Beim letzten EU-Gipfel des Jahres haben Kanzlerin Merkel und ihre Kollegen in Brüssel gestern wichtige Beschlüsse gefasst: Die Russlandsanktionen werden um 6 Monate verlängert, höhere Ausgaben für die europäische Verteidigung und  mehr Geld, um die Konjunktur anzukurbeln.

Was Russland angeht, so sind die Sanktionen im Land ein ständiges ein Thema, das diskutiert und vor allem propagandistisch ausgeschlachtet wird. Am meisten spüren die Russen das Embargo von westlichen Landwirtschaftsgütern, welches Putin als Gegensanktion für die Maßnahmen der EU verhängt hat. Preissteigerungen von bis zu 30 Prozent und eine schlechtere Qualität der Produkte waren die Folge. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung steigt. Die Regierung hat das Embargo aber geschickt verkauft und sagt, dass der Westen Schuld sei.

Die Sanktionen haben sehr viele Unsicherheiten geschaffen. Westliche Firmen wären bereit, zu investieren, warten diese aber ab, weil Unsicherheit herrscht. Auch in Bereichen, die eigentlich nicht direkt von den Sanktionen betroffen wären. Dies hat zu mehr Schaden geführt als alles andere. Nach Schätzungen russischer Regierungskreise belaufen sich die Schäden auf 20 bis 40 Milliarden pro Jahr. Experten außerhalb der Regierung gehen von noch viel höheren Zahlen aus.

Was die Ukraine-Krise betrifft, stehen die Leute noch klar hinter der Regierung. Die Mehrheit der Bevölkerung findet sich mit den Konsequenzen ab. Die Kritiker sind in der Minderheit, was mit der Propaganda aber auch mit der russischen Mentalität zu tun hat, denn wenn ein Angriff von außen kommt, dann steht man in Russland zusammen. Die große Frage ist, wie lange das noch geht? Umfragen zeigen, dass sich die Leute eigentlich bessere Beziehungen zum Westen wünschen.

Das Projekt, die ganze Ukraine näher an Russland zu binden, ist gescheitert. Vornehmlich hat das mit dem in Russland unerwarteten Wehrwillen der Ukrainer zu tun. Aber auch die Sanktionen zeigen ihre Wirkung und haben Russland in der Ukraine-Politik zumindest gemäßigt. Aber dennoch scheinen ein Rückzug aus der Ost-Ukraine und vor allem eine Rückgabe der Krim derzeit wenig wahrscheinlich. Das zentrale Ziel Russlands ist es, die Ukraine im russischen Einflussbereich zu haben oder mindestens zu verhindern, dass sie sich dem Westen annähert und gar der Nato oder der EU beitritt.

Gemäß der offiziellen russischen Version sind die Sanktionen für den Westen schädlicher als für Russland und man will nicht Bittsteller sein. Insofern läuft die russische Wirtschaft holperig gemäß „Business as usual“. Doch tatsächlich ist die wirtschaftliche Abhängigkeit Russlands von Europa viel grösser als umgekehrt. Russland hat also ein ökonomisches Interesse an der Lockerung der Sanktionen, obwohl es das nicht zugeben mag.

Politisch will das Land nicht nachgeben und befindet sich damit in der Zwickmühle. Man hofft nun auf einen russlandfreundlichen Kurs der neuen US-Regierung unter Präsident Trump und seinem designierten Außenminister Rex Tillerson, welcher gute Beziehungen zu Wladimir Putin hat. Tragisch an der Situation ist, dass auch die Ukraine selbst eine Lockerung der Sanktionen möglich macht. Die von der EU geforderten Reformen werden dort zu langsam und oft widerwillig umgesetzt, und Präsident Poroschenko hat als Partner schwer enttäuscht. Der aus den Sanktionen entstandene Schaden ist insgesamt sehr groß für Russland. Doch er betrifft vor allem das Volk und weniger die Regierung.

 von

Günter Schwarz – 16.12.2016