Fernsehansprache der Bundeskanzlerin – Sie geht von Anschlag aus
(Berlin) – Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geht nach der Lkw-Todesfahrt auf einem Berliner Weihnachtsmarkt von einem Anschlag aus. „Wir müssen nach jetzigem Stand von einem terroristischen Anschlag ausgehen“, sagte Merkel am Dienstag in Berlin bei einer kurzen Pressekonferenz. Sie drückte ihre Anteilnahme mit den Opfern, den Angehörigen und den Sicherheitskräften aus – und rief zu Besonnenheit auf.
Die Kanzlerin erwähnte auch den Verdacht, ein nach Deutschland gekommener Flüchtling könne für den Anschlag mit insgesamt zwölf Toten und 48 Verletzten verantwortlich sein. „Ich weiß, dass es für uns alle besonders schwer zu ertragen wäre, wenn sich bestätigen würde, dass ein Mensch diese Tat begangen hat, der in Deutschland um Schutz und Asyl gebeten hat“, sagte sie. „Dies wäre besonders widerwärtig“, fügte die Kanzlerin hinzu, auch gegenüber den tatsächlich Schutzbedürftigen. Merkel versicherte, die Tat werde aufgeklärt und die Verantwortlichen bestraft werden.
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Merkel sagte, sie sei „entsetzt, erschüttert und tieftraurig“ über die Geschehnisse. Das ganze Land sei „in tiefer Trauer vereint“ mit den Angehörigen und Freunden der Opfer. „Auch wenn es in diesen Stunden schwerfällt: Wir werden die Kraft finden für das Leben, wie wir es in Deutschland leben wollen: frei, miteinander und offen“, fügte sie hinzu. „Wir wollen nicht damit leben, dass uns die Angst vor dem Bösen lähmt.“
CSU-Chef Horst Seehofer konterte die Kanzlerin mit bekannten Forderungen: „Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der gesamten Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren“, sagte der bayrische Ministerpräsident zu Mittag am Beginn einer Kabinettssitzung in München. Seehofer kündigte für den Nachmittag eine Sondersitzung an, um dort über die „gesamte Lage“ und mögliche Schlussfolgerungen zu beraten.
Kriegsrhetorik bei Innenministerkonferenz
Zuvor besprach sich auch die deutsche Innenministerkonferenz in einer Videokonferenz über die Lage. Dabei ging es um zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, wie das Bundesinnenministerium anschließend mitteilte. Die Innenminister der Länder verständigten sich darauf, dass die Weihnachtsmärkte in Deutschland weiter stattfinden sollten – doch der Tonfall der Stellungnahmen war teilweise deutlich anders als jener Merkels.
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Klaus Bouillon (CDU), sprach nach dem mutmaßlichen Anschlag von einem „Kriegszustand“ jetzt auch in Deutschland, „obwohl das einige Leute, die immer nur das Gute sehen, nicht sehen möchten“. Das sagte der Politiker im Sender SR3. Wo erforderlich, würden Polizeikräfte mit „schwerem Gerät“ antreten. „Das heißt: Langwaffen, Kurzwaffen, Maschinenpistolen.“
Verstärkte Polizeipräsenz auf Weihnachtsmärkten
Er kündigte eine verstärkte Polizeipräsenz auf deutschen Weihnachtsmärkten an. In Berlin wurden die Betreiber allerdings von den Behörden aufgefordert, die Märkte am Dienstag mit Rücksicht auf die Opfer und deren Angehörige geschlossen zu halten. Der Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche, wo am Montagabend ein Lkw in die Menge fuhr, bleibt nach Angaben des Bezirksbürgermeisters von Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Naumann, in den nächsten Tagen geschlossen.
„Keine hundertprozentige Sicherheit“ möglich
Politische Forderungen, alle Weihnachtsmärkte zu überprüfen, sieht der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, skeptisch. Es sei „nicht zielführend“, bereits „politische Forderungen zu formulieren“, sagte er im Südwestrundfunk. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, sagte im Bayerischen Rundfunk, bei 2.500 Weihnachtsmärkten könne es „keine hundertprozentige Sicherheit geben“.
Das deutsche Innenministerium ordnete für Dienstag bundesweite Trauerbeflaggung für sämtliche Behörden unter Bundesaufsicht an. Zuvor hatten der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck und viele weitere Politiker ihre Bestürzung und ihre Trauer über den mutmaßlichen Anschlag bekundet.
AfD macht Politik Merkels verantwortlich
Die rechtspopulistische AfD kommentierte den Anschlag mit gewohnt scharfen Forderungen nach einem sofortigen Einreiseverbot für Menschen mit ungeklärter Identität. Nur so könnten derartige Anschläge nachhaltig verhindert werden. „Wir haben schon immer darauf hingewiesen, dass die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel sehr große Gefahren birgt“, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Alexander Gauland.
von
Günter Schwarz – 20.12.2016