(Berlin) – In seiner letzten Weihnachtsansprache appelliert Bundespräsident Gauck an die Deutschen, sich vom Terror nicht einschüchtern zu lassen – und ruft zu Mitmenschlichkeit auf. Auch die Flüchtlingskrise macht er zum Thema. Eine politische Debatte darüber sei richtig.

Nach dem Anschlag in Berlin hat Bundespräsident Joachim Gauck in seiner letzten Weihnachtsansprache zu Augenmaß in der politischen Debatte aufgefordert, zu Mitmenschlichkeit und Zusammenhalt aufgerufen und vor Hass und Vorurteilen gewarnt. „Gerade in Zeiten terroristischer Attacken sollten wir die Gräben in unserer Gesellschaft nicht vertiefen, weder Gruppen pauschal zu Verdächtigen noch Politiker pauschal zu Schuldigen erklären“, sagte Gauck in seiner fünften und letzten Weihnachtsansprache als Staatsoberhaupt.

Der Bundespräsident hob hervor, dass Wut und Zorn sowie Angst und Ohnmacht über die Gesellschaft gekommen und trotz des Terrors in der Hauptstadt nicht die Oberhand gewonnen hätten. „Wir sind vielmehr zusammengerückt als Gemeinschaft derer, die die Mitmenschlichkeit verteidigen“, lobte Gauck. „Ganz unterschiedliche Menschen haben einander gesucht, haben einander gestärkt, haben einander Wärme und Nähe gegeben. Konfrontiert mit dem mörderischen Hass haben sie ihr Ja zum friedlichen und menschenfreundlichen Miteinander bekräftigt – ihr Ja zum Leben.“

Der Bundespräsident betonte zugleich, dass es eine „politische Auseinandersetzungen“ über die Flüchtlingspolitik geben müsse, „auch darüber, ob wir zukünftig noch mehr tun müssen, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.“

Gegen Hass und Gewalt wehren

Die Ansprache Gaucks war am späten Donnerstagnachmittag aufgezeichnet worden, und damit vor dem Tod des mutmaßlichen Attentäters in Italien. Wie auch in seinen früheren Weihnachtsansprachen ging Gauck stark auf die aktuellen Entwicklungen ein. In den vergangenen Jahren hatte er sich mehrfach dem Umgang mit der Flüchtlingskrise gewidmet.

Der frühere Pfarrer Gauck schlug in diesem Jahr ausdrücklich den Bogen von dem Anschlag in Berlin zur Weihnachtsbotschaft. „Wir sollten uns gerade in diesen Tagen besinnen auf das, was Weihnachten ausmacht und über die Christen hinaus Teil unserer Kultur geworden ist“, sagte Gauck. Die Botschaft von der Liebe Gottes könne helfen, dass sich „Wut und Zorn in Kräfte verwandeln, die dem Hass, der Gewalt und der Verachtung des Anderen wehren“.

Gauck forderte neben Augenmaß auch Achtung vor dem politischen Gegner und ein Besinnen auf die Weihnachtsgeschichte. Das Wort „Und Friede auf Erden“ sei angesichts von Krieg auf der Welt „in diesem Jahr ganz sicher Millionen von Menschen besonders tief ins Herz gedrungen“, sagte der evangelische Theologe.

Dank an die Helfer der Verletzten

Dies sei kein Wunschtraum, sondern vielfach schon Wirklichkeit, betonte Gauck und verwies unter anderem auf das Beispiel von Berlinern, die bei dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Montagabend trotz der Gefahr für sie selbst sterbenden und verletzten Menschen geholfen hätten. Bei dem Attentat waren zwölf Menschen getötet worden, über 40 wurden teilweise schwer verletzt.

Er dankte außerdem ausdrücklich den vielen Bürgern in Deutschland, „die unser Land durch eigenes Wirken bewohnbarer, die es verlässlich, vertrauenswürdig machen.“ Als Beispiele nannte er Krankenschwestern, Pfleger, Kindergärtnerinnen, Lehrer, Soldaten, Polizisten, Sozialarbeiter, Unternehmer und die vielen Ehrenamtlichen, die entweder in ihren Berufen oder in ihrer Freizeit die Verlässlichkeit des Staates stärkten. „Dieses Land verdient das Vertrauen seiner Bürger“, sagte Gauck und fügte hinzu: „Auch gegenwärtig, da es mit ungelösten Problemen ringt.“

von

Günter Schwarz – 24.12.2016