Dänemark wird nach Referendum zum „Drittstaat“ bei Europol
(København / Den Haag) – Mit einer Volksabstimmung haben die dänische Rechte, die Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei), und die Linken der Enhedslisten (Einheitsliste) im Folketing den Ausstieg des Landes bei der EU-Polizeiagentur durchgesetzt. Nun stimmen beide Lager dennoch dem teilweisen Verbleib zu. Was die beiden Parteien trotz der Gefahr durch zunehmenden Terrorismus in Europa dazu bewogen hat, Dänemark von Europol weitgehend „abzukoppeln“, ist Außenstehenden unverständlich und für viele wenig nachvollziehbar.
Seit 1973 ist Dänemark Mitglied der Europäischen Union und nimmt damit auch im Bereich Justiz und Inneres an gemeinsamen Maßnahmen teil. Das Land wird sich zukünftig jedoch nur noch begrenzt an der Zusammenarbeit beteiligen und wird somit einen Sonderrolle einnehmen, die in der EU ohne Beispielist. Bei Europol wird Dänemark zum „Drittstaat“ herabgestuft. Dieser Status wird ansonsten unter bestimmten Voraussetzungen nur Nicht-EU-Ländern verliehen. Trotz „Brexit“ bleibt zum Beispiel auch Großbritannien bei Europol, und es bleibt im Gegensatz zu Dänemark Europol sogar als Vollmitglied.
Am Mittwoch hat der Rat der Europäischen Union den Entwurf eines Durchführungsbeschlusses veröffentlicht, wonach Dänemark ab dem 1. Mai 2017 bei Europol nicht mehr als Vollmitglied, sondern als Drittstaat angesehen wird. Anschließend kann Europol ein sogenanntes Drittstaatsabkommen mit Dänemark schließen. Davon abgedeckt ist unter anderem der Austausch von personenbezogenen Daten und Verschlusssachen oder die begrenzte Mitarbeit in gemeinsamen Operationen.
Der Schritt wurde notwendig, nachdem sich die linke Einheitsliste und die rechte Volkspartei vor einem Jahr mit einem Referendum zur Justiz- und Innenpolitik der Europäischen Union durchsetzen konnten. Die Regierung hatte vorgeschlagen, 22 europäische Rechtsakte als Paket anzunehmen, darunter auch Maßnahmen zum grenzüberschreitenden Handel, zum Erb- und Sorgerecht oder zur Cyberkriminalität. Mit 53 % konnte sich das Lager des „Nein“ durchsetzen.
Dänische Sonderrechte bleiben
Das Referendum wurde von den rechten Parteien zur Etablierung einer restriktiven Migrationspolitik umfunktioniert. Der eigentliche Anlass war aber die neuerliche Reform von Europol. Bis zum Vertrag von Lissabon gehörte die Polizeiagentur zur sogenannten „Dritten Säule“, in der die EU-Mitgliedstaaten einstimmig entschieden. Nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren ist Europol nunmehr vollends „vergemeinschaftet“. Der neue Status wird in der neuen Europol-Verordnung zementiert, die am 1. Mai 2017 in Kraft tritt und alle früheren Verordnungen ersetzt.
Die dänischen Sonderrechte bestehen in der Möglichkeit des „Opt out“, also dem Ausstieg aus einzelnen Maßnahmen der Justiz- und Innenpolitik, der Landesverteidigung, des Staatsangehörigkeitsrechts und der Währungspolitik. Die Volksabstimmung vom Dezember letzten Jahres sollte dieses Prinzip vom „Opt out“ zum „Opt in“ umkehren. Das dänische Parlament hätte dadurch das Recht gehabt, ohne Referendum die Teilnahme an einzelnen Maßnahmen zu beschließen. Von einer solchen Möglichkeit macht beispielsweise Großbritannien Gebrauch.
Nach dem Sieg des „Nein“ im Referendum haben die Rechten und Linken jedoch zugesichert, nicht vollends bei Europol aussteigen zu wollen. Mit diesem Mandat haben die dänische Regierung und die Europäische Kommission nach Möglichkeiten gesucht, die Zusammenarbeit mit Europol wenigstens minimal zu gewährleisten. Europol schließt beispielsweise strategische oder operative Abkommen mit „Drittstaaten und dritten Organisationen“ außerhalb der Europäischen Union.
Zuletzt hat beispielsweise Georgien ein solches Drittstaatsabkommen geschlossen. Mit der Entsendung von Verbindungsbeamten in die Europol-Zentrale in Den Haag können die Länder zwar nicht direkt auf die dortigen Informationssysteme zugreifen, jedoch im Einzelfall dort Daten abfragen. Auch erhalten die nationalen Kriminalämter Informationen über grenzüberschreitende Ermittlungen, wenn diese ihr Land betreffen.
Dänemark muss EU-Richtlinie zum polizeilichen Datenschutz umsetzen
Anfang Dezember hatten sich Kommissionspräsident Juncker, Ratspräsident Tusk und Dänemarks Premierminister Rasmussen auf einen Fahrplan über die „ausreichende operative Zusammenarbeit“ verständigt. Voraussetzung ist, dass Dänemark im Schengen-Raum verbleibt und sich weiter der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unterwirft. Bis zum 1. Mai 2017 muss die Regierung auch die Richtlinie über den Datenschutz in polizeilichen Angelegenheiten vollständig in dänisches Recht umsetzen und die Zuständigkeit des Europäischen Datenschutzbeauftragten anerkennen.
Der nun veröffentlichte Durchführungsbeschluss zum teilweisen Verbleib Dänemarks wurde bereits vom Europol-Verwaltungsrat durchgewunken. Er soll im Januar vom Rat angenommen und dann möglichst schnell dem Europäischen Parlament vorgelegt werden.
Auch Großbritannien verbleibt zunächst bei Europol. Nach der ebenfalls knapp verlaufenen Abstimmung über den „Brexit“ will die Regierung trotzdem das „Opt in“ zur neuen Europol-Verordnung erklären (Trotz Brexit: Britische Regierung erneuert Mitarbeit bei Europol). Das Verfahren wird derzeit im britischen Parlament behandelt, bald soll ein offizieller Antrag bei der Europäischen Kommission eingehen. Neben der Mitgliedschaft bei Europol will Großbritannien auch Partner des Vertrags von Prüm bleiben, der unter anderem den Austausch von biometrischen Daten vereinfacht.
von
Günter Schwarz – 27.12.2016