Die Bezeichnung Fleisch für vegetarische und vegane Lebensmittel sollen in Deutschland verboten werden. Das wünscht sich der deutsche Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU). Begriffe wie „vegetarisches Schnitzel“ oder „vegane Currywurst“ seien „komplett irreführend und verunsichern die Verbraucher“, sagte Schmidt.

„Ich setze mich dafür ein, dass sie im Sinne einer klaren Verbraucherkennzeichnung verboten werden“, so der Minister gegenüber der „Bild“-Zeitung in der Mittwoch-Ausgabe. Niemand dürfe „bei diesen Pseudo-Fleischgerichten so tun, als ob es Fleisch wäre“. Hersteller sollten eigene Namen für ihre pflanzlichen Produkte finden, forderte Schmidt.

Auch die CDU im wichtigen Agrarland Niedersachsen verlangte, dass Fleischersatzprodukte nicht mehr als „Wurst“, „Schnitzel“ oder „Frikadelle“ verkauft werden sollen. Schmidt hatte sich zuvor schon für eine klare Kennzeichnung der Inhaltsstoffe von Veggie-Produkten ausgesprochen – nach dem Motto „Was draufsteht, muss auch drin sein!“.

Wer sich bewusst vegetarisch oder vegan ernähre, solle zuverlässig aus einem breiten Angebot von Lebensmitteln auswählen können. Dafür sei eine klare Kennzeichnung dieser Produkte wichtig, sagte Schmidt im Oktober. Bereits im Juni hatte er in einem Brief an Vytenis Andriukaitis, EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, eine klare Kennzeichnung vegetarischer und veganer Produkte gefordert.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) teilt die Bedenken Schmidts nicht. „In aller Regel erkennen die Menschen, dass es sich um ein vegetarisches Produkt handelt“, sagte vzbv-Experte Ingmar Streese in der Donnerstag-Ausgabe des „Tagesspiegels“. Dennoch wünscht sich auch Streese eine Vereinheitlichung. Es gebe immer mehr rein pflanzliche Milch-, Käse- oder Wurstprodukte, so der vzbv-Experte, „da brauchen wir eine einheitliche Kennzeichnung“.

Zuletzt hat die Begeisterung für Fleischersatzprodukte in Deutschland deutlich nachgelassen. Nach aktuellen Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ist der über Jahre hinweg boomende Markt für Fleischersatzprodukte – wie vegetarische Fleischwurst oder Sojaschnitzel – seit dem Sommer auf Schrumpfkurs.

Dabei konnten sich die Hersteller von Fleischersatzprodukten vor einem Jahr noch über Zuwachsraten von mehr als 50 Prozent freuen. Doch in diesem Jahr schwächte sich das Wachstum überraschend schnell ab und kam dann zum Erliegen. „In den letzten zwei, drei Monaten sind die Verkäufe sogar rückläufig“, sagte GfK-Experte Helmut Hübsch.

„Wir haben einen relativ hohen Anteil von Einmalkäufern“, so Hübsch. Viele Verbraucher hätten Fleischersatzprodukte einmal ausprobiert und es dann auch bei dem einmaligen Versuch belassen. Mitverantwortlich für den Umschwung könnten allerdings auch Untersuchungen der Stiftung Warentest und von Öko-Test gewesen sein, die in den vergangenen Monaten Schlagzeilen machten.

Kritisiert wurden die „überraschend hohe Belastung“ mit Mineralölbestandteilen bei einigen Produkten, aber auch Überwürzung und die Verwendung glutamathaltiger Zusätze, um den Produktgeschmack auf fleischähnlich zu trimmen. Außerdem wurden die allzu großzügige Verwendung von Salz bei etlichen Produkten und die „oftmals weiche bis breiige Konsistenz“ bemängelt.

Offenbar überzeugte auch der Geschmack nicht immer: „Einige Veggie-Varianten schmeckten trocken, waren schwer zu kauen oder sehr salzig. Auch sind sie nicht per se kalorienärmer als die vergleichbaren Fleischprodukte. Wer Fett sparen will, muss genau hinschauen, welches Produkt er auswählt“, so die Konsumentenforscher.

„Vegetarische und vegane Produkte sind nach wie vor kleine Nischenmärkte“, sagen Marketingexperten. Zu Ende sei der Veggie-Boom allerdings nach Einschätzung der Experten trotz des aktuellen Rückschlags nicht. „Es geht vielleicht nicht so flott aufwärts wie ursprünglich gedacht – aber das Thema ist nicht erledigt“, so die Experten, die das auf das wachsende Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher und die Experimentierlust von Gelegenheitsvegetariern zurückführen.

„Fleisch gehört auf den Speiseplan einer gesunden und ausgewogenen Ernährung, auch in der Kita- und Schulverpflegung“, ist denn Schmidt überzeugt. „Jedes Kind sollte die Auswahl haben, ob es Rind-, Schweinefleisch, Fisch oder eben vegetarisch essen möchte.“ Kantinen von Schulen und Kindergärten sollten daher seiner Ansicht nach regelmäßig Gerichte mit Schweinefleisch anbieten, forderte er.

„Dass unsere Kinder kein Schweinefleisch mehr bekommen, ist völlig inakzeptabel“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Es sei ein „Versagen der Schulträger“, wenn Kinder keine ausgewogene Ernährung bekämen. Auch wenn die Zahl der Muslime im Land steige, dürfe man nicht aus Bequemlichkeits- oder Kostengründen für die Mehrheit in der Gesellschaft die Auswahl einschränken, sagte Schmidt. Muslimen ist der Verzehr von Schweinefleisch verboten.

Dieselbe Forderung hatte Schmidt bereits Ende März erhoben. Auch Kanzlerin Angela Merkel hatte im Juli in einer Videobotschaft Migranten zu Toleranz gegenüber deutschen Essgewohnheiten wie dem Verzehr von Schweinefleisch aufgerufen. Schmidt kündigte an, das nationale Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule werde künftig Mustervorschläge für eine ausgewogene Ernährung machen.

Generell hatte Schmidt Anfang des Jahres davor gewarnt, Kinder vegan zu ernähren. Auch für Jugendliche sei das „auf keinen Fall geeignet“, sagte Schmidt, „denn vegane Ernährung ist Mangelernährung“. „Es fehlt Eisen, es fehlt Calcium, es fehlt vor allem Vitamin B12. Kinder haben einen Anspruch auf eine ausgewogene Ernährung und dürfen nicht die Leidtragenden einer Ideologie ihrer Eltern sein.“

Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) riet in einem Positionspapier dringend vor veganer Ernährung von Kindern ab. „Für einen gesunden Erwachsenen ist es durchaus machbar, sich vegan zu ernähren“, so die DGE-Expertin Antje Gahl. Vitamin B12, das vor allem in tierischen Produkten vorkomme, müsse aber zugesetzt werden.

von                                

Günter Schwarz – 29.12.2016