(Kiel / Odense / Sønderborg) – Solarzellen sind in unserer Vorstellung wohl meist dunkle, feste, starre Gebilde. Was aber, wenn sie wie Folien wären, großflächig verwendbar, dünn und biegsam? Es gäbe  völlig neue Verwendungsmöglichkeiten, wie beispielsweise auf Haus- und Fahrzeugdächer oder in Glasfronten, auf denen sich die Folien ganz einfach großflächig ausrollen ließen. Forscher denken auch an Fenster oder Kleidungsstücke, die Energie produzieren.

Diese langfristigen Ziele verfolgt das deutsch-dänische „RollFlex-Innovationsprojektcenter“. Ein Projekt, das kürzlich startete und an dem die Syddansk Universitet (SDU) Odense, die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) sowie Unternehmen und zahlreiche deutsche und dänische Netzwerkpartner beteiligt sind. Angesiedelt ist das Projekt an der SDU in Sønderborg.

Das Material konventioneller Solarzellen besteht überwiegend aus Silizium, die Solarzellen in den biegsamen Folien bestehen jedoch aus organischen Materialien, also aus Kohlenwasserstoffverbindungen. Schon seit einigen Jahren arbeiten Forscher an der Entwicklung dieser Solarzellen. Für die Wissenschaftler besitzen Solarzellen und LEDs aus diesen Materialien  ein großes Potenzial im Hinblick auf Energieeffizienz und nachhaltige Energiegewinnung. Im Vergleich zu herkömmlichen Siliziumzellen bringen diese Zellen gute Eigenschaften wie Flexibilität, geringes Gewicht, niedrige Kosten sowie eine gewisse Durchsichtigkeit mit. 

Morten Madsen, Projektleiter seitens der SDU, unterstreicht deren Qualitäten: „Wir produzieren Solarzellen mit einer Gesamtdicke von zehn Nanometern. Das entspricht einem hundertstel Mikrometer. Gleichzeitig sind die Produktions- und Materialkosten für organische Solarzellen sehr niedrig, was bedeutet, dass politisch motivierte Subventionen für ihren Einsatz nicht notwendig sind.“ 

Der Wirkungsgrad von herkömmlichen Silizium-Solarzellen liegt maximal bei 25 Prozent, durchschnittlich aber bei rund 10 Prozent weniger. Der Wirkungsgrad der organischen Solarzellen liegt darunter. Laut Morten Madsen können sie bis zu 13 Prozent der Sonnenenergie umsetzen, ein Maximalwert, denn Madsen zufolge verringert sich die Effizienz dramatisch, wenn statt kleiner  zentimetergroßer Solarzellen große hergestellt werden. Und es gibt ein weiteres Problem, das die Forscher lösen müssen: die Haltbarkeit.  Morten Madsen: „Wir testen verschiedene Lösungen und versuchen, jede Schicht zu optimieren. Unser größtes Problem mit den organischen Solarzellen ist die Lebensdauer. Werden die Zellen Luft und Licht ausgesetzt, finden chemische Prozesse statt – sie oxidieren. Darum geben wir verschiedene Stoffe hinzu, die sie stabiler machen.“

Mit dem nun gestarteten überregionalen Forschungsprojekt „RollFlex“ wollen deutsche und dänische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Entwicklung der organischen Energietechnologie einen großen Schritt voranbringen. Dazu entsteht in Sønderborg mit dem Rollflex-Innovationsprojektcenter ein Labor, in dem Druckanlagen erforscht und weiterentwickelt werden, um so Materialien großflächig auf dünne Substrate wie flexibles Glas oder Plastikfilme zu drucken. Am Ende sollen sie laut CAU auch elektrische Bauteile enthalten wie flexible Elektronik, organische Leuchtdioden (OLEDS) und Solarzellen. Daraus könnten Produkte für Bereiche wie Beleuchtung, Displays oder Photovoltaik entwickelt werden. 

Auch für Unternehmen in der Region Norddeutschland und Syddanmark (Süddänemark), die bereits mit der sogenannten Rolle-zu-Rolle-Technologie arbeiten, ist der regionale Forschungszusammenschluss nach den Worten der Projektpartner spannend. „Es wird seit vielen Jahren zu organischen Solarzellen geforscht, aber wir registrieren jetzt ein gesteigertes Interesse von Seiten der Industrie. Die Unternehmen sehen einen eigentlichen Durchbruch nahen, in dem die Solarzellen so stabil und effizient sind, dass sie kommerziell eingesetzt werden können. So sind zum Beispiel mehr Unternehmen aus der Fahrzeugindustrie an der Technologie interessiert“, sagt Morten Madsen, Projektleiter SDU. 

Das Innovationsprojektcenter RollFlex wird von 2016 bis 2019 durch das EU-Förderprogramm Interreg Deutschland-Danmark mit rund 1,6 Millionen Euro gefördert. Beteiligte Partnerinstitutionen sind neben der SDU, die CAU, FUMT R & D Functional Materials GmbH und Stensborg A/S. Hinzu kommt eine große Anzahl von Netzwerkpartnern in Norddeutschland und Dänemark, darunter die IHK Flensburg, Norddeutsche Initiative Nanotechnologie Schleswig-Holstein e.V. (NINa SH), Wirtschaftsförderung und Technologietransfer in Schleswig-Holstein (WTSH).

von                                

Günter Schwarz – 29.12.2016