Mit großen »WIR SCHAFFEN DAS.« Plakaten wirbt die Universitätsklinik auf ihrem Gelände für die allgegenwärtigen Umbaumaßnahmen, mit denen das »20. in das 21. Jahrhundert« verwandelt werden soll. Gemessen an der Bauzeit anderer deutscher Großprojekte können wir zuversichtlich sein, dass die Umbauarbeiten in Kiel und Lübeck rechtzeitig zum 21. Jahrhundert fertig werden.

Ich glaube auch nicht, dass irgendjemand an der medizintechnischen Raffinesse der Uni-Klinik zweifelt. Ganz ohne Frage wird man den allerletzten Schrei der Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten in der Uni-Klinik vorfinden. Von unheimlich beeindruckender Strahlentherapie bis hin zu einem Fahrstuhl, der Verletzte quasi direkt vom Hubschrauberlandeplatz in einen Not-OP befördert gibt es in der Uni-Klinik weit mehr Schnick-Schnack als in einem LEGO-Krankenhaus! Ein Umstand, der die Notwendigkeit einer groß angelegten »WIR SCHAFFEN DAS« Kampagne fast überflüssig erscheinen lässt.

Aus privater Sicht bleibt mir das »WIR SCHAFFEN DAS« allerdings etwas im Halse stecken. Ich denke da insbesondere an die mehr als zwei Stunden bangen Wartens, als meine Frau mit Unterleibsblutungen auf einen Arzt wartete – die anderweitig beschäftigt, respektive „verhindert“ waren. Ich denke an einen älteren Engländer, der mit Verdacht auf einen Herzinfarkt von einem der Kreuzfahrtschiffe in die Uni-Klinik gebracht wurde und den man erst dann behandelte, nachdem man auch sein letztes Gepäckstück nach einer Versicherungskarte durchforstete. Ich denke an einen Bekannten, der bei seinem 2-wöchigen Aufenthalt in der Inneren Medizin mehr als nur eine Nacht auf dem Flur schlafen durfte und dessen Einwände oder Schmerzen schlichtweg ignoriert wurden. Ganz abgesehen von ominösen Zuzahlungen für die Nutzung eines Fernsehers in einem Dreibettzimmer – oder einem Flur, in welchem sich gar kein Fernseher befindet.

Das »WIR SCHAFFEN DAS« mag also für die technische Ausstattung des UKSH zutreffen. An der Menschlichkeit wird es dabei allerdings kläglich scheitern. Der Vorwurf richtet sich dabei auch nicht an völlig überarbeitete Ärzte, die gleichzeitig ein OP und einen Notfall zu versorgen haben. Der Vorwurf richtet sich auch nicht an unterbesetzte Stationen, auf denen die Nachtschwestern selbstverständlich einen etwas überspannten Eindruck hinterlassen, wenn die Hälfte ihrer Patienten auf dem Flur herumrandalieren.

Der Vorwurf richtet sich an eine Verwaltung, die offensichtlich der Auffassung ist, dass eine gute medizinische Versorgung im 21. Jahrhundert von technischen Spielereien abhinge. Ich persönlich hoffe, dass man mich bei einem Notfall ins Städtische Krankenhaus bringt. Das ist zwar nicht so modern und hat auch keinen Fahrstuhl im OP – allerdings sind dort Krankenschwestern, die nicht so schnell laufen und ein wenig mehr Lächeln.


Auf dem ganzen Gelände des UKSH wird eifrig gebaut. »Wir schaffen das.«

von
Michael Schwarz – 04.01.2017
Foto: Mila Yasenko für SH-UgeAvisen