Kolumne: „Winds of Winter“ oder Von dem Bestseller-Autor, der keine Geschichte erzählen kann.
Mit Begeisterung kämpfe ich mich durch das epische Werk „Das Lied von Eis und Feuer“ des US-amerikanischen Schriftstellers George R.R. Martin. Die englische Originalausgabe der „Game of Thrones“ Serie umfasst 5 Bände – in der im Blanvalet-Verlag erschienenen deutschen Übersetzung sprechen wir von insgesamt zehn Bänden. Ich selbst bin inzwischen bei Band 5 „Sturm der Schwerter“ angekommen – die verbleibenden, jeweils knapp 1500 Seiten umfassenden, Bände warten bereits auf meinem eReader.
Aus dem Schatten der Nerd-Literatur trat der Science-Fiction-, Fantasy- und Horror-Schriftsteller George R.R. Martin, nachdem der US-amerikanische Sender HBO begann, die epische Saga „Game of Thrones“ als Serienblockbuster zu verfilmen. Fans warten derzeit gespannt auf die 7te Staffel, die voraussichtlich ab Juni/Juli 2017 startet. Ich gebe zu, dass auch ich erst auf die Serie aufmerksam wurde und mir eine liebe Freundin dann die Bücher wärmstens empfahl. Während sich die erste Staffel der Serie sehr genau an die literarische Vorlage der ersten beiden (deutschen) Bände hält, entgleitet die Serie den Büchern schon ab Staffel Zwei. Zwar erkennt man die Serie in den Büchern wieder – und umgekehrt ebenso – wohin die Reise geht, werden wir allerdings erst in den endgültigen Staffeln erleben; wobei ich sicherlich schon vorher die Bücher gelesen haben werde.
Ein Umstand stört mich dabei schon jetzt: Ich habe bei guten Büchern kein Problem damit, €15.- für ein Taschenbuch auszugeben (€11.99 in der eBook-Ausgabe/Hugendubel). Bei insgesamt zehn Bänden ist dies zwar ein stolzer Preis – doch kauft man die Bücher ja nicht alle auf einmal. Die Tragik der Geschichte wird sicherlich seinen Höhepunkt nehmen, wenn ich den zehnten Band beendet haben werde und die Geschichte dann noch gar nicht zu ende ist. In der Tat ist „Das Lied von Eis und Feuer“ so geschrieben, dass es überhaupt keinen Sinn macht, nur eines der Bücher zu lesen. Man beginnt bei Band Eins … und kämpft sich dann langsam, gemeinsam mit den Protagonisten durch das Abenteuer Westeros. Das Ende der einzelnen Bücher ist dabei jeweils so offen, dass man direkt zu dem nächsten Band greifen kann.
Am Ende (nach Band Zehn) lande ich dann in der Gruppe ungeduldiger Fans, die auf die Fortsetzung „The Winds of Winter“ warten, mit der sich George R.R. Martin sehr viel Zeit lässt. 2016 verstrich, ohne dass der Autor auch nur daran dachte, seinen Fans mitzuteilen, wann mit der Fortsetzung zu rechnen sei. Zu hören war lediglich, dass er daran arbeiten würde. Kritiker vermuten, dass die Erde erst von einem Kometen getroffen wird, bevor Martin sein Werk vollendet.
Obwohl ich noch mitten im Lesevergnügen stecke und wirklich jedes der Kapitel genieße, ahne ich, dass „Das Lied von Eis und Feuer“ eines der „dicksten“, teuersten, besten und gleichzeitig unbefriedigtsten Bücher sein wird, das ich je gelesen habe… ganz einfach nur deswegen, weil der Autor seine Geschichte nicht zu einem Ende bringen kann.
Vielleicht hätte HBO gut daran getan, Geschichten erst dann zu verfilmen und den Autor mit Gold und Lametta zu überhängen, nachdem die Geschichte fertig ist. „Ein dickes Portemonnaie macht träge“, pflegte meine Urgroßmutter immer zu sagen. Dementsprechend egal kann es Martin sein, ob die Geschichte nun vollendet wird – oder auch nicht. Seine Preise hat er bekommen und auch sein Kontostand dürfte denen seiner Fans weit übersteigen.
Nun – ich bin noch fünf Bände von diesem Drama entfernt und beobachte dabei aufmerksam den Nachthimmel nach dem Kometen.
von
Michael Schwarz – 10.01.2017