Die Husumer Bäuerin Anneline Petersen ist vor allem unter dem Namen „Stine Mett“ bekannt und ein Sinnbild für ein „Es-geht-auch-anders“. Und sie traf in ihrem ganz gewiss nicht leichten Leben auf Menschen, die ihr Anderssein akzeptierten und ihr halfen. Die Husumer erzählen Geschichten und Anekdoten von der Frau, die sich in einem Männerberuf behauptete, die resolut und gutmütig zugleich war, die Humor hatte und die Autoritäten nicht fürchtete.

Es gibt Menschen, die bleiben im Gedächtnis. Nicht nur im Gedächtnis einzelner Menschen oder der Familie, sondern einer ganzen Stadt. Anneline Petersen, genannt Stine, war eine solche Person oder besser Persönlichkeit. Dabei war sie, die 1994 im Alter von 85 Jahren in Husum starb, kein Rockstar, keine Dichterin oder Politikerin, sondern „nur“ eine Frau, die ihr Leben lang gradlinig ihren Weg ging und ihren Hof bewirtschaftete. Sie hatte ein besonders inniges Verhältnis zu ihren Tieren und ist den Tücken des Alltags meist auf sehr unkonventionelle Art begegnet. Sie fand für vieles eigene und eigenwillige Lösungen, wurde dafür von vielen bewundert, von manchen belächelt.

Nordschleswiger-Redakteurin Marlies Wiedenhaupt, selbst Husumerin und ehemalige Nachbarin von Stine, hat all die Anekdoten und Geschichten gesammelt, die sich um Anneline Petersen heute noch ranken und die noch immer bewahrt und weitergegeben werden.

In ihrem Buch „Stine“, erschienen im ihleo verlag und mit vielen Fotodokumenten versehen, erzählt Marlies Wiedenhaupt die Geschichte einer Frau, die den Widerständen trotzte und, so legen es die Berichte nahe, als glückliche und zufriedene Frau starb.

Anneline Petersen ist ein Sinnbild für ein Es-geht-auch-anders. Und sie traf in ihrem ganz gewiss nicht leichten Leben auf Menschen, die ihr Anderssein akzeptierten und ihr halfen. Ob es sich nun um die Umweltpolizisten handelte, die für sie das Bußgeld durch einen Fotowettbewerb hereinverdienten oder ihren selbst gewählten Betreuer in ihren letzten fünf Lebensjahren, die Frisörin, die sich zeitweise mit Eiern bezahlen ließ oder die Passanten, die mit anpacken mussten, wenn eine Badewanne als Wassertränke für die Kühe auf dem Feld zu versetzen war.

Dabei war es unter dem Aspekt Geruch und Hygiene offenbar nicht immer ein reines Vergnügen, Stine zu treffen. Und selbst die ihr wirklich gut Gesonnenen verzichteten energisch darauf, bei ihr zu essen oder ihre Kekse zu verspeisen. Eine „Gute Stube“ gab es bei Stine nicht, aber ein Zuhause, wie Marlies Wiedenhaupt trefflich schildert. Diese Kapitel liest man mit einem Schmunzeln und bleibt Anneline Petersen zugewandt. Dazu tragen auch die Berichte über ihren Umgang mit ihren Tieren bei – zugewandt, die einzelne Kreatur wahrnehmend und pflegend, aber nicht romantisierend.

Marlies Wiedenhaupt ist es in ihrem Buch hervorragend gelungen, das Wesen einer Frau, aber ein bisschen auch einer Stadt oder eines Stadtteils, einzufangen und ihnen Zeitlosigkeit zu verleihen. Stine hat ihr Leben lang hart gearbeitet und den Hof, soweit es ging, in Schuss gehalten, immer auf die Rückkehr ihres im Zweiten Weltkrieg vermissten Bruders wartend. Aber das hat ihr nicht die Lust am Leben und ihren Liedern (sie hatte ihren Spaß daran, zu allen möglichen Zeiten Familie und Bekannte anzurufen und ins Telefon zu singen) genommen. Als sie wenige Wochen vor ihrem Tod in ein Pflegeheim zog, war sie mit sich im Reinen.

Das Buch ist werktags beim bei der Tageszeitung „Der Nordschleswiger“ erhältlich, Tel. +45-74 62 38 80 oder E-Mail vertrieb@nordschleswiger.dk, und kostet 18,95 Euro oder 143 Kronen.

von

Günter Schwarz – 14.01.2017