Paphos und Arhus, die beiden Europäischen Kulturhauptstädte des Jahres 2017, verbindet vor allem eines: eine weit zurückreichende Stadtgeschichte und, in diesem Jahr, der Blick in Richtung neuer Dialoge.

Die zypriotische Küstenstadt Paphos teilt sich in diesem Jahr mit dem dänischen Aarhus den Titel Europäische Kulturhauptstadt. Beide setzen auf Geschichtsträchtiges und einen neuen Dialog mit der Bevölkerung. Dabei sind die Ansätze höchst unterschiedlich. Während Aarhus – einst die größte Wikingerstadt – mit dem „ambitioniertesten Kulturprojekt der Geschichte“ aufwarten will, muss man in Paphos, jener Stadt, in deren Nähe Aphrodite dem Meer entstiegen sein soll, mit einem anderen Superlativ umgehen: dem geringsten Budget der Kulturhauptstadtgeschichte.

Im zypriotischen Paphos gibt es einen Mythos, der rund um den Vollmond zu touristischen Besucheranstürmen führt: 15 Kilometer östlich des Hafenstädtchens soll die Liebesgöttin Aphrodite höchstpersönlich dem Mittelmeer entstiegen sein. Mit den archäologischen Stätten aus der römischen und hellenistischen Zeit, dem pittoresken Hafen, einem mittelalterlichen Fort, Plätzen und antiken Stadtmauerresten ist in der Stadt aber auch viel tatsächlich verbürgtes historisches Erbe zu finden. Kein Wunder also, dass man das im Kulturhauptstadtprogramm nutzen will.


Paphos: „Signale in Zeit und Raum“
Aus der Not geborenes Freiluftkonzept

Das zentrale Programm von Paphos 2017 heißt „Open Air Factory“, zu deutsch Freiluftfabrik. „Es ist ein Programm, das draußen stattfindet, das ist auch unsere Tradition, schließlich gibt es viele attraktive Plätze“, erklärt Georgia Doetzer, die künstlerische Leiterin der Kulturhauptstadt, das Konzept gegenüber ORF.at. Dem kommt auch das mediterrane Klima entgegen: Ende Jänner, wenn das Programm offiziell eröffnet wird, klettert das Thermometer auf bis zu 18 Grad, von April bis Ende Oktober herrschen sommerliche Verhältnisse.

Die scheinbar naheliegende Freiluftidee ist jedoch nicht ganz freiwillig, sondern erst aus der Not geboren worden: Paphos verfügt mit rund 8,5 Millionen Euro über das kleinste Budget in der Geschichte aller Kulturhauptstädte. Nachdem man 2012 den Zuschlag bekommen hatte, wurde Zypern von der Finanzkrise hart getroffen, die Sponsoren zogen sich zurück, und das ursprüngliche Budget von 20 Millionen war Geschichte. „Wir haben trotzdem ein Programm entwickelt, mit dem wir Europa überraschen werden“, meint Doetzer. Die Schilder auf den Straßen scheinen ihr Recht zu geben, überall liest man hier „Wir werden es schaffen“.


Paphos: „Feuerturm“
Türkisch-griechischen Dialog fördern

Ein Blick ins Programmheft zeigt, dass Paphos jedenfalls kein elitäres Kulturprogramm veranstalten, die zentrale Botschaft aber nicht unter den Tisch fallen lassen will: die Öffnung „nach draußen“. Und das sei nicht nur eine Metapher, sondern auch ein politischer Aufruf, wie die künstlerische Leiterin betont.

„Es geht uns darum, Brücken zu bauen, Offenheit und Toleranz zu stärken, Dialog und Gemeinschaftsgefühl zwischen verschiedenen Communities zu befördern – zwischen griechischen und türkischen Einheimischen, Migranten und Flüchtlingen.“ Schließlich sei Zypern durch seine geopolitische Lage im äußersten Südosten Europas prädestiniert, Ort des Dialogs zwischen Kulturen, Religionen und Kontinenten zu sein.

„Tisch der Vereinigung“ heißt etwa eine Installation, die Holz aus verschiedenen 1974 verlassenen Gebäuden vereinigen soll – gedacht als Treffpunkt, wo Türken und Griechen gegenseitige Vorurteile abbauen und gemeinsam Zukunft gestalten sollen. Die Insel ist seit 1974 geteilt.

Aleppo in Paphos

In Erinnerung rufen will man auch, wie nahe der Syrien-Krieg geografisch von Zypern entfernt ist – ein Ensemble aus Aleppo wird im Mai musizieren, und in der städtischen Galerie von Paphos werden von Juli bis September Künstler aus Kriegsgebieten ausstellen. Im Frühling spielen – als eines der Highlights – die Berliner Philharmoniker vor der mittelalterlichen Festung von Paphos auf.

Ein weiteres Herzstück des Musikprogramms ist die „reisende Bühne“, die über das ganze Jahr konzertierend durch die Region tingelt. Am Strand gibt es Kino unter dem Motto „Weltreisen, Reisende und Migranten“, Theaterfans freuen sich auf das „Monodrama Festival“ und das Stück „Die trojanischen Frauen“ von Euripides im Odeon von Paphos.

Wikingerstadt Aarhus

Auch die zweite Kulturhauptstadt Aarhus ist stolz auf ihre Geschichte: Die Universitätsstadt im Mitteljütland wurde 770 von den Wikingern an der Mündung des Flusses Aarhus A in die Ostsee gegründet und ist damit die zweitälteste Stadt Dänemarks – und die Stadt mit der jüngsten Bevölkerung. Es gibt eine aufstrebende Kunst-, Design- und vor allem auch eine interessante Kulinarikszene. „Arhuus prosperiert“, man müsse sich gar nicht hinter dem weit bekannteren Kopenhagen verstecken, betont Trine Bang, die Kulturhauptstadt-Programmkoordinatorin.


Aarhus: „Wasser Musik“ – Soren Pagter
Zumindest das Programm, das man sich hier vorgenommen hat, tut das auch nicht – es gilt als eines der ehrgeizigsten Kulturprojekte der Geschichte Dänemarks. „Wir veranstalten die Kulturhauptstadt gemeinsam mit 18 anderen Kommunen, mit insgesamt 1,3 Millionen Einwohnern, die wir alle einbinden wollen.“ Schon in die Programmentwicklung waren 10.000 Menschen involviert, mehr als 350 Veranstaltungen sollen in der Region stattfinden.

„Let’s rethink“

„In Dänemark gibt es viele aussterbende Dörfer, in diese Dörfer gehen wir hinein“, begründet Bang die regionale Ausdehnung. „Außerdem wollen wir uns in Zeiten des Populismus wieder damit beschäftigen, was Demokratie und Information für uns bedeuten und was wir in der Zukunft wollen“. „Let’s rethink“, so lautet das Motto von Aarhus 2017. „Wir glauben, dass Kunst und Kultur uns hilft, die Herausforderungen von morgen zu bewältigen.“


Aarhus: „Großer Schaum“
Programmhighlights sind eine ambitionierte Performance des Ensembles des Königlichen Theaters zur Geschichte der Wikinger, die gar an „Der Herr der Ringe“ oder „Game of Thrones“ erinnern soll, sowie das Projekt „The Garden“, eine vier Kilometer lange Kunstroute durch Aarhus Richtung Küste, auf der es um die Beziehung zwischen Mensch und Natur geht.

Auf Infrastrukturprojekte setzt heuer keine der Kulturhauptstädte, keine spektakulären Neubauten. „Bei uns in Aarhus geht es vor allem um das Knüpfen neuer Verbindungen und Netzwerke, in der Region und europaweit“, sagt Trine Bang. All das mit einem Budget von gut 57 Millionen – mit knapp einem Siebtel davon will Paphos Ähnliches versuchen.

von

Günter Schwarz – 15.01.2017