„Harter Brexit“ oder „sauberer Schnitt“ mit Brüssel?
(London) – Brexit – aber wie? Auch ein gutes halbes Jahr nach dem Votum der Briten für einen EU-Austritt ist alles unklar. Finanzminister Hammond denkt laut über ein neues Wirtschaftsmodell nach. Für einen „harten Brexit“ plädiert Premierministerin May. Nach Berichten mehrerer britischer Medien soll Premierministerin Theresa May bei ihrer Grundsatzrede zum „Brexit“ am Dienstag einen harten Kurs ankündigen. Sie sei bereit, Großbritannien mit einem „sauberen Schnitt“ aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion zu führen, heißt es. Indes legt Finanzminister Philip Hammond mit klaren Ansagen Richtung EU vor – ihm zufolge wird eine Änderung des britischen Wirtschaftsmodells erwogen.
Bei einem fehlenden Zugang zum europäischen Markt müsse Großbritannien nach den Worten Hammonds das Wirtschaftsmodell überdenken. Es sei zu hoffen, dass das Land in Bezug auf das Steuer- und Sozialsystem sowie die Regulierung der Wirtschaft erkennbar europäisch bleiben könne, sagte Hammond der „Welt am Sonntag“. „Aber wenn man uns zwingt, etwas anderes zu sein, dann werden wir etwas anderes werden müssen.“ Auslöser könnten die ökonomischen Umstände sein.
„Wenn man uns zwingt, etwas anderes zu sein, dann werden wir etwas anderes werden müssen.“ Auslöser könnten die ökonomischen Umstände sein. „Wenn wir keinen Zugang haben zum europäischen Markt, wenn wir ausgesperrt werden, wenn Großbritannien die Europäische Union verließe ohne eine Übereinkunft über einen Marktzugang, dann könnten wir zumindest kurzfristig wirtschaftlichen Schaden erleiden. In diesem Fall könnten wir gezwungen sein, unser Wirtschaftsmodell zu ändern, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Die Regierung in London denkt bereits konkret über niedrigere Steuersätze für Unternehmen nach.
May offenbar für „harten Brexit“
Vor allem bei einem „harten Brexit“ wäre Großbritannien vom Zugang zum europäischen Markt abgeschnitten. Medienberichten zufolge strebt Premierministerin Theresa May einen harten Schnitt an. Am Dienstag will sie in einer Grundsatzrede Details zu ihren Brexit-Plänen vorstellen. Diese sähen einen Ausstieg Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt, aus der Zollunion und ein Verlassen des EU-Gerichts vor, schrieben mehrere britische Zeitungen. Der „Sunday Telegraph“ zitierte einen Regierungsvertreter mit den Worten: „Sie will es voll durchziehen. Die Leute werden wissen: Als sie sagte, ,Brexit heißt Brexit‘, meinte sie genau dieses.“
Der klare Bruch mit dem gemeinsamen Markt würde es Großbritannien erlauben, auch die EU-Personenfreizügigkeit zu beenden und seine Einwanderungspolitik wieder vollständig alleine zu kontrollieren. Das Brexit-Votum von Ende Juni habe die klare Botschaft gesendet, dass das Land diese Kontrolle haben müsse, sagte nun Hammond. „Im Moment haben wir gar keine Kontrolle, so wenig wie Deutschland sie hat. Das muss aufhören.“ Weil auf der Insel Vollbeschäftigung herrsche, brauche die Wirtschaft Zuwanderer. „Daher werden wir uns rational und ökonomisch vernünftig verhalten.“
Substanzielle Verhandlungen ab Sommer?
Hammond ergänzte, im Frühjahr werde die Absicht offiziell mitgeteilt, aus der EU auszutreten. „Wir erwarten, dass wir mit substanziellen Verhandlungen mit der EU vor dem Sommer beginnen könnten.“ Ungewissheit schade der Wirtschaft in ganz Europa. „Wir würden gern so viel Klarheit wie möglich so früh wie möglich schaffen. Und wir hoffen, dass wir uns schnell einig werden, wie ein zukünftiges Arrangement aussehen könnte, und dass wir 2019 nahtlos dazu übergehen können.“
von
Günter Schwarz – 15.01.2017