Trump erwartet weitere EU-Austritte und droht deutscher Wirtschaft
Der künftige US-Präsident Donald Trump umreißt in Interviews seine Haltung zu europäischen Fragen. Die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel nannte er einen „katastrophalen Fehler“, den „Brexit“ hingegen „großartig“. Während er Großbritannien einen raschen Handelsvertrag anbot, stellte er deutschen Autokonzernen harte Zeiten und hohe Zölle in Aussicht. Der designierte US-Präsident Donald Trump hat in Interviews mit der britischen „Times“ und der deutschen „Bild“ viele europäische Themen umrissen und sich kein Blatt vor den Mund genommen. Vor allem Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel wird kritisiert. Nach dem „Brexit“ rechnet Trump zudem damit, dass weitere Staaten die EU verlassen werden.
„Der ‚Brexit‘ wird sich letztlich als eine großartige Sache herausstellen“, sagte Trump in New York. Großbritannien stellte er auch einen raschen Handelsvertrag mit den USA in Aussicht. Die EU sei nämlich „ein Mittel zum Zweck für Deutschland“.
Der britische Außenminister Boris Johnson begrüßte Trumps Äußerungen zu einem möglichen amerikanisch-britischen Handelspakt. „Ich denke, es sind sehr gute Nachrichten, dass die USA ein gutes Freihandelsabkommen mit uns abschließen wollen und dass sie es schnell machen wollen“, sagte Johnson am Montag am Rande eines EU-Treffens in Brüssel. Es müsse jedoch ein Deal sein, der die Interessen beider Seiten berücksichtige.
Merkels „katastrophaler Fehler“
Deutliche Worte hatte Trump auch für die deutsche Kanzlerin übrig: „Ich habe große Achtung vor Merkel“, sagte Trump in New York. Aber die Grenzöffnung in der Flüchtlingskrise sei ein „äußerst katastrophaler Fehler“ gewesen. „Sie wissen, dass ich Deutschland liebe, weil mein Vater aus Deutschland stammt, und ich will mich nicht in einer ähnlichen Situation wiederfinden“, sagte Trump. Die USA würden von seinem ersten Tag desAmtsantritts an auf sichere Grenzen setzen.
Trump wird am 20. Jänner US-Präsident. Am Montag darauf werde er einen entsprechenden Erlass unterzeichnen, sagte er. „Die Leute wollen nicht, dass andere Leute in ihr Land kommen und es zerstören.“ Auf die Frage, ob die verschärften Regeln auch Auswirkungen auf Einreisende aus EU-Staaten haben werden, erklärte Trump: „Das könnte passieren, aber wir werden sehen.“
„Zu spät“ für Syrien
Trump bezeichnete den Irak-Krieg als möglicherweise schlechteste Entscheidung in der Geschichte der USA. „Wir haben da etwas entfesselt – das war, wie Steine in ein Bienennest zu schmeißen“, sagte er. „Und nun ist es einer der größten Schlamassel aller Zeiten.“ Trump wiederholte vor dem Hintergrund hoher Flüchtlingszahlen infolge des Syrien-Krieges, von den Golfstaaten finanzierte Sicherheitszonen in Syrien seien das Mittel der Wahl gewesen. „Das Ganze wäre wesentlich billiger gewesen als das Trauma, das Deutschland jetzt durchmacht.“
Auf die Frage, ob Russlands Eingreifen in den Syrien-Krieg gut oder schlecht gewesen sei, sagte Trump: „Nein, das war eine sehr üble Sache, schlimm.“ Die USA hätten aber die Gelegenheit versäumt, sehr früh etwas zu tun. „Es ist zu spät, jetzt ist alles vorbei“, sagte Trump. „Irgendwann wird es ein Ende haben, aber Aleppo war scheußlich.“ Die Stadt sei in einer furchtbaren humanitären Lage.
Nukleare Abrüstung angedeutet
Trump deutete eine Neubewertung der Russland-Sanktionen an. Er stellte das in einen Zusammenhang mit atomarer Rüstung. „Zum einen finde ich, dass es deutlich weniger Nuklearwaffen geben sollte und sie erheblich reduziert werden müssten, das gehört dazu. Aber da sind diese Sanktionen, und Russland leidet im Moment schwer darunter.“ Er glaube, es könne manches gehen, von dem viele Leute profitierten.
Russland hält eine Reaktion auf die Vorschläge über eine nukleare Abrüstung für verfrüht. Es müsse die Amtsübernahme von Trump abgewartet werden, bevor Russland Stellungnahmen abgebe, sagte Präsidialamtssprecher Dimitri Peskow am Montag.
„Die NATO ist obsolet“
Wieder bezeichnete Trump auch die Verteidigungsallianz NATO als obsolet, sie sei vor langer Zeit entworfen worden. „Wir sollten diese Länder schützen, aber viele dieser Länder zahlen nicht, was sie zahlen müssten“, sagte er. „Das ist sehr unfair gegenüber den USA. Abgesehen davon ist mir die NATO sehr wichtig.“
In der EU und bei der NATO sorgen die Äußerungen für Unruhe. Dass Trump die NATO für obsolet betrachte, sei bei der NATO mit Besorgnis aufgenommen worden, sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach einem Gespräch mit Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel. „Wir müssen sehen, was daraus für die amerikanische Politik folgt.“
Strafzölle für Autobauer
Laut dem designierten Präsidenten könnten deutschen Autobauern zudem harte Zeiten bevorstehen. Er sagte: „Sie können Autos für die USA bauen, aber sie werden für jedes Auto, das in die USA kommt, 35 Prozent Steuern zahlen.“ Dem Hersteller BMW, der 2019 eine Fabrik in Mexiko eröffnen will, legte Trump nahe, die Fabrik in den USA zu bauen.
Wenn BMW von Mexiko aus in andere Länder verkaufen wolle, sei das in Ordnung, sagte Trump. „Aber wenn sie in Mexiko eine Fabrik bauen und Autos in die USA verkaufen wollen ohne eine 35-Prozent-Steuer, dann können sie das vergessen.“
Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) nahm die neue Androhung hoher Importzölle ernst. „Allerdings muss sich erst noch zeigen, ob und wie diese Ankündigungen künftig von der US-Administration umgesetzt werden“, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann . „Im US-Kongress dürfte es gegen Importsteuerpläne erheblichen Widerstand geben.“ BMW zeigte sich von Trumps Kritik unbeeindruckt und hält an seinen Plänen für ein Werk in Mexiko fest.
Krankenversicherung „für alle“
In einem weiteren Interview erklärte Trump seine Pläne zur Gesundheitspolitik. Das Nachfolgemodell für die von den US-Republikanern abgelehnte Gesundheitsreform „Obamacare“ wird demnach allen US-Bürgern offenstehen. „Wir werden eine Versicherung für alle haben“, so Trump in gegenüber der „Washington Post“. In einigen Kreisen habe die Haltung vorgeherrscht, dass diejenigen, die nicht zahlen könnten, auch keine bekommen sollten. „Das wird es mit uns nicht geben“, kündigte Trump an.
Trump hatte immer wieder die unter seinem Amtsvorgänger Barack Obama beschlossene Gesundheitsreform kritisiert und deren Abschaffung und Änderung angekündigt. Haushaltstechnisch haben die Republikaner die Abschaffung bereits auf den Weg gebracht. Doch endgültig abgeschafft werden soll die Reform erst, wenn es ein Ersatzsystem für die Versicherten gibt.
„Sehr vereinfacht, günstiger, besser“
Nach Trumps Worten liegt nun ein Vorschlag vor. Ohne näher darauf einzugehen, versprach er lediglich „niedrigere Zahlen, deutlich niedrigere Selbstbeteiligungen“. Der Vorschlag sei bereits sehr weit ausformuliert. Betroffene könnten „eine großartige Gesundheitsversorgung erwarten“. Im Vergleich zu „Obamacare“ werde sie „sehr vereinfacht“ sein, sagte Trump der „Washington Post“. „Viel günstiger und viel besser.“
Unter dem „Obamacare“-Projekt Affordable Care Act (ACA) wurde es Versicherungen verboten, Menschen mit Vorerkrankungen von einer Krankenversicherung auszuschließen. Junge Leute erhielten die Möglichkeit, bis zum Alter von 26 Jahren bei den Eltern mitversichert zu sein. Die rund 20 Millionen US-Bürger, die über „Obamacare“ krankenversichert sind, sollen möglichst auch künftig abgedeckt sein. Allerdings leidet das System am starken Anstieg von Versicherungsbeiträgen.
von
Günter Schwarz – 16.01.2017