Türkei: Entscheidende Abstimmungen über Präsidialsystem
(Ankara) – Die Abgeordneten im Parlament in Ankara beginnen heute mit den entscheidenden Abstimmungen über die Verfassungsreform für ein Präsidialsystem in der Türkei. In zweiter Lesung entscheiden die Parlamentarier über jeden der 18 Änderungs-Artikel einzeln.
Danach folgt eine Abstimmung über das Gesamtpaket, die die Regierungspartei AKP für Samstag plant. Benötigt wird jeweils die Zustimmung von mindestens 330 der 550 Abgeordneten. Da abgesehen von einigen Oppositionellen die Abgeordneten des türkischen Parlaments ohnehin vor ihrem großen „Führer“ Recep Tayyip Erdoğan kuschen, ist mit einer Zustimmung nach Erdoğans Wünschen zu rechnen.
Referendum im Frühjahr
Sollten diese Mehrheiten wie erwartet erzielt werden, soll es zwischen Ende März und Mitte April zu einem Referendum kommen. Die von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan seit Langem angestrebte Verfassungsreform würde dem Präsidenten deutlich mehr Macht verleihen und das Parlament schwächen. Erdoğan würde zugleich als Staats- und Regierungschef amtieren und könnte wie einst in Deutschland der „Führer“ im „Dritten Reich“ weitgehend per Dekret regieren.
Alle Artikel „abgenickt“
In der am vergangenen Sonntag nach einer Woche beendeten ersten Abstimmungsrunde hatten alle 18 Artikel die erforderliche Dreifünftelmehrheit bekommen – auch dank Stimmen aus der Opposition. Der Chef der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahceli, und weitere Abgeordnete seiner Partei unterstützen die Reform. Die größte Oppositionspartei CHP und die pro-kurdische HDP sind strikt gegen das Vorhaben, weil sie eine Ein-Mann-Herrschaft befürchten und die Türkei in eine Diktatur abgleiten sehen.
von
Günter Schwarz – 18.01.2017