(Berlin) – Am 24. Januar 2017 versammelte sich eine illustre Runde im Berliner Congress Center, um Erasmus+ und 30 Jahre des Bestehens des bekannten europäischen Bildungsprojekts zu feiern. Im Netz veröffentlichen Teilnehmer ihre Geschichten unter dem Hashtag #Erasmus30.

Das Erasmus-Programm ist das weltweit größte Förderprogramm für studentische Bildungsaufenthalte im Ausland. Neben Studenten zählen mittlerweile auch Jungunternehmer zur Zielgruppe der Initiative. In Zukunft soll auch der Bereich der beruflichen Bildung stärker in das EU-Projekt integriert werden. Bis 2020 ist ein Gesamtbudget von fast 15 Milliarden Euro für das Vorhaben unter dem Namen Erasmus+ vorgesehen.

Der Einladung zur Festveranstaltung unter der Schirmherrschaft von Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka (CDU) folgten unter anderem Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU), Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), NRW-Kulturministerin Dr. Susanne Eisenmann (CDU) und der EU-Kommissar Tibor Navracsics.

Bundesministerin Wanka würdigte in ihrer Festrede das Programm als „Erfolgsgeschichte“. „Wenn Europa Dinge vorzuweisen hat, die funktionieren, dann ist Erasmus eines davon“, erklärte die CDU-Politikerin.

Wanka unterstrich die Wichtigkeit des friedlichen Austausches mit anderen Kulturen und erklärte auch im Hinblick auf den Brexit, dass „Wissenschaft vom Austausch lebt“.

EU-Kommissar Tibor Navracsics forderte junge Menschen und Lehrer in Deutschland dazu auf, das Beste aus dem Programm zu machen. „Auch wenn Konflikte und Krisen uns teilen: Erasmus zeigt uns, dass wir zusammenkommen müssen, uns gegenseitig kennenlernen und annehmen müssen. Die Stärkung unserer Identität als Europäer ist eine wesentliche Ergänzung zu anderen Schichten, die unsere Identität ausmachen“, sagte Navracsics.

Europa sei nicht dasselbe wie vor 30 oder 60 Jahren, betonte der Politiker, und ergänzte: „Europa ist das, was Sie daraus machen.“

Seit dem Gründungsjahr 1987 haben bereits mehr als 1,3 Millionen Deutsche am Erasmus-Programm teilgenommen. Laut der ehemaligen EU-Bildungskommissarin Androulla Vassiliou verbessere das Programm nicht nur die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt, sondern habe auch Auswirkungen auf das Privatleben der Teilnehmer gehabt. Die Kommission schätzt, dass es inzwischen ungefähr eine Million „Erasmus-Babys“ gibt.

Kritische Stimmen bemängeln, dass Erasmus immer noch vorwiegend ein Bildungsprogramm für die Oberschicht wäre. Vor allem in Deutschland sind es nach wie vor in erster Linie Akademikerkinder, die das geförderte Austauschprogramm in Anspruch nehmen.

Wie die beiden Bildungsforscher Nicolai Netz vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) und Claudia Finger vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) im Vorjahr im Rahmen einer Studie herausfanden, ist die soziale Selektivität von Auslandsaufenthalten vor allem zwischen 1991 und 2003 stetig angestiegen.

Auch die Bologna-Reformen hätten an dieser Situation wenig geändert. Von Studenten, deren Elternhäuser der Arbeiterschaft zuzuordnen waren, absolvierten 2012 nur 13,3 Prozent einen Teil ihres Studiums im Ausland. Im Jahr 1991 waren es 9,9 Prozent, der höchste Anteil war mit 14,4 Prozent im Jahr 2000 zu verzeichnen.

von

Günter Schwarz – 27.01.2017