Kampf um die Listenplätze bei den Grünen
(Neumünster) – Erst als die Delegierten stehend applaudieren, lässt Robert Habeck sich doch noch aus der Reserve locken. Eigentlich hatte er ganz unauffällig in der letzten Reihe in der Stadthalle in Neumünster gesessen. Als Grünen-Landeschef Arfst Wagner ihm aber beim Landesparteitag am Wochenende zu seinem Urwahl-Ergebnis gratuliert und ihm bescheinigt, den „neuen Politikstil“ der schleswig-holsteinischen Grünen „in der ganzen Republik bekannt gemacht“ zu haben, richten sich alle Augen auf den amtierenden Umweltminister.
Der Mann, der ausgezogen war, um sich auf Bundesebene mitzumischen. Eigentlich wollte Habeck im Hintergrund bleiben, schließlich geht er doch in Begleitung von Finanzministerin Monika Heinold nach vorne. „Danke, ich sage morgen noch was“ – sagt er nur kurz.
Heinold wird Spitzenkandidatin
Lange bleiben die Delegierten aber nicht sitzen – denn kurz darauf folgen wieder stehende Ovationen – diesmal für Monika Heinold. Sie soll die Partei schon zum dritten Mal als Spitzenkandidatin in den Landtagswahlkampf führen – mit Habecks Unterstützung.
Monika Heinold hatte die Delegierten zuvor schon mit ihrer Bewerbungsrede begeistert. Sie zählte die Leistungsbilanz ihres Ministeriums auf, wetterte gegen die Opposition, ermunterte die Parteimitglieder zum Kämpfen. An den Grünen komme man nicht vorbei, sagt sie.
Am Ende bekommt die Finanzministerin 120 von 122 Stimmen – ein klares Ergebnis, wie es zu erwarten war. Da stehen nicht nur alle auf – aus dem Publikum sind auch Jubelrufe zu hören. Der Parteitag kommt in Fahrt.
Zwei wollen auf Platz zwei
So klar der erste Platz der Landesliste für Heinold reserviert ist, so hart umkämpft sind die anderen Listenplätze. Auf Platz zwei treten die Landtagsabgeordneten Rasmus Andresen und Bernd Voß gegeneinander an. Fraktionsvize Andresen zitiert Barak Obama – und nennt US-Präsident Donald Trump einen autoritären Chauvinisten. Der Protest gegen Trump, er ist auf diesem Parteitag nicht nur an den rosa „Pussy-Hats“ zu sehen, mit denen manche der Delegierten in der Neumünsteraner Stadthalle gegen Frauenfeindlichkeit demonstrieren wollen. Andresen sagt, ein möglicher Einzug der AfD in den schleswig-holsteinischen Landtag würde „unsere Demokratie vergiften“. Er kritisiert auch die dänischen Grenzkontrollen. Und fordert mehr Toleranz.
Andresens Gegenkandidat Bernd Voß betont hingegen seine Kompetenz in Sachen Energiewende und Agrarpolitik. Und seine Nähe zu Habecks Umweltministerium – das seine Initiativen aufgenommen habe. Voß macht am Ende das Rennen und die Delegierten applaudieren – wiederum stehend.
Eka von Kalben: „Jetzt erst recht“
Robert Habeck und seine Staatssekretärin Ingrid Nestle sitzen derweil in ihre Laptops vertieft hinten im Saal. Sie haben sich Arbeit mitgebracht und müssen sich noch um erkrankte Wildvögel kümmern. Seit November letzten Jahres ist die Geflügelpest immer wieder ein Thema für den Minister. Eine Entwarnung ist nicht in Sicht. Daneben in einer Reihe sitzen strickende Fraktionsmitarbeiter. So viel grüne Tradition muss sein.
Unterdessen sammeln Parteimitglieder mit gelben Plastikboxen in der Hand die Stimmzettel ein. Journalisten geben Tipps ab, wer das Rennen um Platz drei machen wird. Es gilt sich für oder gegen Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben zu entscheiden. Die hatte in ihrer Bewerbungsrede zuvor gesagt, die weltpolitische Lage löse bei ihr den „Jetzt-erst-recht-Reflex“ aus. Sie wird – ohne Gegenkandidatin – mit sieben Gegenstimmen und sieben Enthaltungen auf Listenplatz 3 gewählt. Auf dem vierten Platz folgt Trump-Kritiker Rasmus Andresen.
Gesundheitsexpertin auf Platz fünf
Um Listenplatz fünf kämpfen gleich drei Frauen. Die Liste wird im Reisverschlussverfahren besetzt: Auf jede Frau folgt ein Mann. Zur Wahl steht die Landesvorsitzende Ruth Kastner. Sie fliegt allerdings im ersten Wahlgang raus, im zweiten gewinnt Marret Bohn. Die Gesundheitsexpertin und parlamentarische Geschäftsführerin kann sich gegen die stellvertretende Landtagspräsidentin Marlies Fritzen durchsetzen. Es folgen Umarmungen, ein „ja, ich nehme die Wahl an“, und weiter geht es.
Sonntag spricht „Robert“
Für ihre Liste werden die Grünen das ganze Wochenende brauchen. Als erster Programmpunkt am Sonntagmorgen ist dann aber noch einmal die Urwahl im Bund Thema. Deren Ergebnis – Habeck unterlag im Rennen um die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl nur knapp – ist aus Sicht vieler Delegierter eine tolle Ausgangsposition für das Jahr 2017 – mit Landtags- und Bundestagswahl. „Auf solche tollen Leute können wir nicht verzichten“, sagt eine. Andere Deligierte betonen, Habeck sei der beliebteste Politiker Schleswig-Holsteins. Auf ihn könne man im Wahlkampf nicht verzichten.
Der blickt von seinem Platz am Rand regelrecht stolz auf seine Parteikollegen. Einen „super Landesverband“ habe die Partei, hochpolitisch und geschlossen. Den „Geist, den ich den Berlinern mitgeben wollte“, biete er jetzt den Schleswig-Holsteinern an, sagt Habeck. Dass er selbst nicht auf der Landesliste auftauchen wird, hatte der Minister schon bei seiner Entscheidung klargestellt, in der Bundespolitik sein Glück zu versuchen. Auch jetzt bereut er das nicht, sagt er.
von
Günter Schwarz – 29.01.2017