Fast die Hälfte der geringfügig Beschäftigten bekommt nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn für ihre Arbeit. Vielfach unterlaufen die Arbeitgeber das Mindestlohngesetz und speisen die von ihnen beschäftigten Minijobber mit „Almosen“ ab und machen damit die gesetzliche Regelung zur Farce. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor.

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet über die Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) und der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Danach bekamen 2015 knapp die Hälfte der Minijobber weniger als 8,50 Euro brutto die Stunde, die Arbeitgeber damals mindestens zahlen mussten. Jeder Fünfte erhielt nicht einmal 5,50 Euro – und dass ist Betrug!

Über fünf Millionen Minijobs gibt es in Deutschland, also solche Beschäftigungsverhältnisse, in denen man in einem vollen Monat nicht mehr als 450 Euro verdienen darf und die, sofern es kein weiteres Einkommen vorhanden ist, frei von Abzügen für die gesetzliche Krankenkasse oder die Arbeitslosenversicherung sind.

Der Mindestlohn wurde Anfang 2015 in Deutschland eingeführt – mittlerweile beträgt er 8,84 Euro.

Extrem niedrige Stundenlöhne

„Die Zahlen lassen keinen Zweifel daran, dass die Betriebe bei einem erheblichen Teil der Minijobber nicht wie gesetzlich vorgeschrieben die Löhne erhöht haben“, stellen die Studienautoren Toralf Pusch und Hartmut Seifert laut der Zeitung fest. Das Mindestlohngesetz werde bei Minijobs offenbar „noch längst nicht flächendeckend angewendet“. Teilweise würden sogar extrem niedrige Stundenlöhne bezahlt.

„Ich befürchte, wir haben es hier leider bei einigen Arbeitgebern mit der Einstellung zu tun: Minijob gleich Minirechte. Die Ergebnisse unserer Studie sind ja nun eindeutig. Wir haben jeden zweiten Minijobber, der im Jahr 2015 nicht den Mindestlohn erhalten hat“, sagt Toralf Pusch, Co-Autor der Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

Dabei ist die gesetzliche Regelung eindeutig. Auch die Minijobzentrale der Bundesagentur für Arbeit weist auf ihrem Informationsportal auf die für die Arbeiter verpflichtenden Regelungen hin. Doch offenbar ist gerade die tatsächliche Arbeitszeit ein gern genutzter Umgehungstatbestand.

Für ihre Studie werteten die Forscher das „sozio-ökonomische Panel“ und das „Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung“ aus. Für den ersten Datensatz werden 27.000 Menschen jährlich zu ihrer Lebens- und Arbeitssituation befragt, für den zweiten 13.000.

Keine genauen Zahlen

Wie viele Minijobber genau nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn erhalten, ist laut der Studie unklar. Derzeit gibt es in Deutschland nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit knapp 7,4 Millionen geringfügig Beschäftigte, für knapp 4,8 Millionen davon handelt es sich um ihre Haupttätigkeit und keinen Nebenjob.

Bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls dagegen gibt es bislang keine Erhebungen zu den Minijobs, weil diese bei den Kontrollen in den Unternehmen nicht als eigenständige Kategorie erfasst werden. Da es bislang nur den Weg der unangemeldeten Kontrollen des Zolls oder eben Hinweise mutiger Arbeitnehmer gibt, um gegen die Lohndrücker vorzugehen, hält Toralf Pusch nur den Weg der Verbandsklage für ein geeignetes Mittel, um diesem Missstand zu begegnen:

„Das wäre im Einzelfall wahrscheinlich die geringere Hürde als zu erwarten, dass jemand persönlich Klage beim Gericht einreicht.“

Linke kritisieren Minijobs

Allerdings ist dies in Deutschland gesetzlich bislang nicht vorgesehen. Klaus Ernst von den Linken nahm die Studie zum Anlass für eine generelle Kritik an den Minijobs. Sie würden allein dazu dienen, reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu umgehen und Menschen zu Dumpinglöhnen zu beschäftigten. Mit keinem anderen Beschäftigungsmodell werde derart Schindluder getrieben. Sie sollten deshalb abgeschafft und durch reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ersetzt werden.

Das fordert auch Brigitte Pothmer von den Grünen. Minijobs seien anfällig für Betrug und seien hochproblematisch für die Erwerbsbiografien vor allem von Frauen. Trotzdem habe Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nichts dafür getan, um mehr Minijobber in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen. „Dieses Versprechen aus dem Koalitionsvertrag habe sie einfach unter den Tisch fallen lassen“, erklärte Pothmer.

von

Günter Schwarz – 30.01.2017