Dänemark will somalische Flüchtlinge abschieben, obwohl das Land als hochgefährlich eingestuft wird. Das ist ein Schock für viele – nur nicht für die ach so „humanistische“ dänische Regierung und deren „Alibi-Integrationsministerin“ Inger Stojberg, die sich genauso wie ihr sogenannter Regierungschef, Statsminister Lars Løkke Rasmussen, von der rechtsradikalen und ausländerfeindlichen Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) wie eine Herde „dummer Schafe“ vor sich hertreiben lässt.

In Dänemark sollen somalische Flüchtlinge keine Zuflucht mehr finden. Die Regierung bereitet ihre Abschiebung vor, obwohl das UN-Flüchtlingshilfswerk, EU-Instanzen und die Nachbarn Schweden sowie Deutschland das Land als hochgefährlich für Heimkehrer einstufen. Bei seiner entgegengesetzten Einschätzung stützt sich København vor allem auf den Bericht einer „Factfinding“-Kommission vor Ort.

Die Kommission des dänischen Folketings durfte Ende 2015 allerdings aus Sicherheitsgründen nur einen einzigen Tag in der Hauptstadt Mogadischu bleiben und konnte dort den Flugplatz nicht verlassen. Der nächste Anlauf ein Jahr später brachte die Dänen nur bis Nairobi in Kenia, weil Mogadischu jetzt auch einschließlich des Flugplatzes als zu gefährlich galt.

Dessen ungeachtet hat die Ausländerbehörde nun 800 Somaliern in Dänemark schriftlich angekündigt, dass ihre Aufenthaltsgenehmigungen erneut auf den Prüfstand kommen. Angeblich und nach Ansicht der dänischen Regierung sei ihre Hauptstadt samt einigen anderen Städten inSomalia wieder sicher für zurückkehrende Flüchtlinge. Vier von 22 Prüfungen hätten bereits zur Einziehung der Aufenthaltsgenehmigungen geführt.

Ausländerministerin Inger Støjberg kündigte in klaren Worten eine kräftige Steigerung dieser Zahl an. Zur Begrüßung auf der Homepage ihres Ministeriums rattert ein dynamischer Zähler in rasender Eile von 0 auf 40: „Durchgeführte Verschärfungen beim Ausländerthema.“ Seit die Rechtspopulisten der Dansk Folkeparti als Mehrheitsbeschaffer die Regierungsgeschäfte mitbestimmen, ist dies der wichtigste Gradmesser für den „Erfolg“ dänischer Politik.

Damit die Zahl weiter nach oben klettern kann, hat die Ausländerbehörde auch dem 33-jährigen Noor Mohammad Abdi nach 13 Jahren in Dänemark das Schreiben zur „erneuten Überprüfung“ in den digitalen Briefkasten geschickt. „Als ich sein Foto als betroffenem Somalier auf der Titelseite der Zeitung „Politiken“ sah, verschlug es mir als abgebrühter Politikbeobachter den Atem. Ich hatte aus der Zeitung mit einem neuen Trump-Schock aus Washington gerechnet und bekam einen Schock in Trump-Stärke direkt am eigenen Tisch serviert.“

Denn ich kenne Noor gut. Im „Lektiecafé“, der Stadtbücherei von Nykøbing auf Falster, habe ich ihn zusammen mit den anderen „Flüchtlingshelfern“ oft Dänisch üben gesehen. Seine Lernwilligkeit, Freundlichkeit und sein Fleiß sind für mich ein Symbol, dass es bei allem Chaos aus verschiedener Herkunft und Bildungsstand funktionieren kann mit der Integration. Auch wurde unter anderem die „Hygge“ besprochen, Dänemarks berühmte Version von einem gemütlich entspannten Leben voller Zuversicht und gegenseitigem Grundvertrauen. Gerade hat die Regierung sie nach einer Internetabstimmung in den „Dänemarkskanon“ aufgenommen. Er soll die „nationalen Grundwerte“ im Bewusstsein der hier geborenen Bürger auffrischen und den Neuen nahebringen.

Wie differenziert man beide Gruppen sehen kann, zeigte Ministerin Støjberg auch beim Blick Richtung Mogadischu. „Natürlich ist es ein Riesenunterschied, ob ein ethnisch dänischer Beamter sich sicher in Somalia bewegen kann oder ein Somalier, der in seine Heimat zurückkehrt“, begründete sie in „Politiken“ die enorme Kluft zwischen Sicherheitsstandards für ihre Landsleute und für andere. Støjberg liegt bei Umfragen immer an der Spitze der Popularitätsranglisten. Ihre klare Ausdrucksweise ohne Umschweife beim „Ausländerthema“ kommt immer so gut an.

Noor Mohammad Abdi hat nach 13 Jahren Abwesenheit keine Familie mehr in Somalia. Alle Verwandten sind entweder umgekommen oder in alle Winde außerhalb der Heimat verstreut. In Nykøbing lebt er mit seiner somalischen Frau und dem gemeinsamen Baby. Er hat mit Erfolg in einem Altenheim gearbeitet. Das zweite Kind ist unterwegs. Er fürchtet sich vor täglicher Gewalt in dem „failed state“ (gescheiterten Staat), vor Bürgerkrieg, Clanrivalitäten und islamistischen Extremisten.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR gibt ihm recht und hat die dänische Regierung brieflich vor der Rücksendung von Somaliern gewarnt. Ortskundige dänische Experten erklären, dass Heimkehrer durchaus ähnlichen Gefahren ausgesetzt seien wie von Kidnapping bedrohte Europäer, weil bei ihnen Geld vermutet wird.

Das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sieht die Lage auch nicht als sicher an. Es hat Somalia im letzten August neben Eritrea, Irak, Iran und Syrien als Land „mit guter Bleibeperspektive“ für Flüchtlinge in Deutschland eingestuft. Schwedens letzter offizieller Einschätzung zufolge haben die finsteren Al-Schabaab-Milizen zwar an Einfluss in den Großstädten verloren, sind aber keineswegs, wie die dänischen Factfinder fanden, aus Mogadischu verdrängt.

Vergangene Woche meldeten die Medien einen Anschlag der Al Schabaab auf ein Hotel in Mogadischu mit 28 Toten. Noor sagte dem Reporter von „Politiken“: „Ich will bestimmt nicht negativ sein. Aber wenn ich dorthin jetzt zurückgeschickt werde, bedeutet das Tod, Tod, Tod.“ Es falle ihm gerade ein bisschen schwer, sich auf die Ausbildung zur Pflegekraft zu konzentrieren.

von                  

Günter Schwarz – 02.02.2017