(Lübeck) – „Der Mann mit der Schlangenhaut“ – woran erinnert Sie das? Es ist der legendäre Film mit Marlon Brando aus dem Jahr 1959. Der Film basiert auf dem Bühnenstück „Orpheus steigt herab“ von Tennessee Williams. Die Tragödie mit aktuellem gesellschaftspolitischem Bezug läuft nun am Theater Lübeck. Regisseur Sebastian Schug – erstmals in Lübeck – bringt es auf die Bühne. Der 37-Jährige hat bereits einige Tennessee-Williams-Stücke inszeniert. Nun ist „Orpheus steigt herab“ von ihm in Lübeck zu sehen.

Eine triste Kleinstadt im Süden Amerikas. Züge fahren durch. Hunde bellen. Die Bewohner wirken unzufrieden, bieder und blass. Die Stadt ist geprägt von Klatsch und Tratsch, von Stichelei und Heuchelei.

Treffpunkt ist der Gemischtwarenladen von Lady Torrance und ihrem zynischen, todkranken, Mann Jabe, der gerade aus dem Krankenhaus kommt. Die Menschen leben in ihrem kleingeistigen Mikrokosmos. Dann erscheint Val Xavier – der geheimnisvolle Fremde in der Schlangenlederjacke. Die kleine vermeintlich heile Welt bricht zusammen.

Die Geschichte knapp verpasster Chancen

Patrick Berg spielt Val – den Mann mit der Schlangenhaut und der Gitarre. Es kommt, was kommen muss: Er, der verführerische Fremde und die unglückliche Lady Torrance – großartig gespielt von Agnes Mann – kommen sich langsam näher. Um sie herum braut sich Unmut und Unverständnis zusammen. Für Regisseur Sebastian Schug ist „Orpheus steigt herab“ eine Tragödie im besten Sinne. Es ist eine Geschichte der verpassten Gelegenheiten, des verpassten Lebens.

Eine Kleinstadthölle auf der Bühne

Und so schreit die einzig Exzentrische in der piefigen Kleinstadt hysterisch heraus: „Lebt!“ Es ist nicht verwunderlich, dass Regisseur Schug den Gemischtwarenladen auf der Bühne wie eine Kleinstadthölle aussehen lässt. Ein Keller mit mehreren Ausgängen, die einem Höhlensystem gleichen.

Ein erschreckend aktuelles Stück

Erschreckend, wie aktuell das 60 Jahre alte Theaterstück ist. Das, was Tennessee Williams beschreibt, entspricht der amerikanischen Gesellschaft von heute. Die Ablehnung von Fremden. Der Hass, der die Gemeinschaft prägt und auseinandertreibt. Parallelen zur Politik des amtierenden Präsidenten Trump sind nicht nur Zufall, sondern auch Absicht. „Orpheus steigt herab“ ist ein gesellschaftspolitisches Stück. Die Inszenierung am Theater Lübeck ist mit tollen Schauspielern besetzt – und sollte somit so richtig in Schwung kommen und zum Nachdenken anregen.

von

Günter Schwarz – 05.02.2017