Ministerstreit über „Bauernregeln“
(Berlin) – Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Barbara Hendricks (SPD), will in einer Plakatkampagne eine Debatte über die Zukunft der Agrarpolitik in Europa anregen. Mit einer Plakataktion „ Bauernregeln“ im Stil alter Binsenweisheiten gereimten Sprüchen ist ihr zumindest ein Teil ihres Anliegens gelungen: Debattiert wird viel, allerdings nicht im Sinne der Erfinder.
„Zu viel Dünger auf dem Feld geht erst ins Wasser, dann ins Geld“: heißt es in einer für ihre aktuelle – in Reimen gehaltene – Informationskampagne, die viel Spott erntet. Die Bauernvertreter finden die in ganz Deutschland plakatierten Bauernregeln gar nicht lustig und kontern ebenfalls in Reimen. Rückendeckung bekommen die Landwirte von CSU-Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Eine von ihm geforderte Entschuldigung will sich Hendricks jedoch nicht abpressen lassen. Sie verteidigt ihre Kampagne und spricht von „bewusster Fehldeutung“.
„Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein“ und „Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm“ ist etwa auf den Ende der Woche präsentierten Plakaten zu lesen. Sie sollen in 70 deutschen Städten aufgebracht werden.
Es sei bekannt, so Hendricks zur Begründung ihrer Kampagne, dass die intensive Landwirtschaft die Belastungsgrenzen von Böden und Natur viel zu oft überschreite. Landwirtschaft habe nur dann eine Zukunft, wenn sie naturverträglich sei und Artenvielfalt, Klimaschutz und die Gesundheit der Menschen mitberücksichtige.

Für den deutschen Bauernverband sind die Plakate jedoch eine „inhaltliche Bankrotterklärung“. Das Ministerium sei nicht mehr ernst zu nehmen, so Generalsekretär Bernhard Krüsken. Für ihn ist es der „Tiefpunkt in der agrarpolitischen Diskussion, wenn ein Ministerium glaubt, mit Schüttelreimen Politik und öffentliche Debatten vorantreiben zu können“.
Der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern wehrte sich am Samstag mit einem offenen Brief gegen die „Diffamierung eines ganzen Berufsstands“. Die Kampagne sei „nicht kreativ oder witzig, sondern dreist und polemisch“. Landwirte würden durch das Ministerium „als Vogelvernichter und Tierquäler“ verunglimpft.
„Populistisch, einseitig und unwahr“
Henrik Wendorff, Präsident des Landesbauernverbands Brandenburg spricht von „diffamierendem Unsinn“ und „billigen Beleidigungen“. Es seien „noch nicht mal die enormen Kosten für den Steuerzahler“, so Wendorff, „sondern das ist der populistische, einseitige und deswegen unwahre Blick auf die Landwirtschaft und die Ideologie dahinter“.
Eine von Bauern gestartete Onlinepetition, die bis dato knapp über 3.100 Unterstützer gefunden hat, wirft dem Umweltministerium vor, im Wahljahr mit „an widerliche NPD-Wahlplakatsprüche“ erinnerndem Tonfall „auf Kindergartenniveau die moderne deutsche Landwirtschaft“ zu diskreditieren.
Es wird zurückgereimt
In Sozialen Netzwerken wird eifrig diskutiert, viel gespottet und zurückgereimt. „Bleibt Frau Hendricks, wo sie ist, kräht bald kein Hahn mehr auf dem Mist“, ist etwa zu lesen oder auf der Facebook-Seite von Gitta Connemann, der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Bundestag: „Spricht die Hendricks über Bauern, bekomme ich das kalte Schauern.“ Der hessische Bauernverband findet zwar, „ist zu schwach das Argument, macht der Reim das Regiment“, scheut sich jedoch nicht vor einer auch in Gedichtform gehaltenen Gegenkampagne via Facebook.

Schützenhilfe bekommen die Bauern durch Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Auch er sieht die deutsche Landwirtschaft diffamiert und verlangt deshalb eine Entschuldigung von Umweltministerin Hendricks. In einem Brief forderte Schmidt seine Kabinettskollegin auf, „die Kampagne sofort zu beenden und sich für den entstandenen Schaden bei den Bäuerinnen und Bauern öffentlich zu entschuldigen“.
Hendricks will nicht einlenken. Es sei „bewusste Fehldeutung“ zu behaupten, ihre spaßig gemeinte Plakatkampagne richte sich gegen die gesamte Landwirtschaft, heißt es in einem von ihr an Schmidt gerichteten Brief am Sonntag. Der inhaltliche Kern der Botschaften sei von Kritikern „weder angezweifelt, geschweige denn widerlegt“ worden – stattdessen werde ein „Zungenschlag herbeigeredet“, den es auf den Plakaten nicht gebe.
Ressortchefs mit unterschiedlichen Interessen
Hendricks und Schmidt geraten inhaltlich regelmäßig aneinander, etwa wenn es um Düngegesetzgebung oder den Bau sehr großer Ställe geht. Der Agrarminister ist für Landwirtschaft und Tierhaltung zuständig, die Umweltministerin für den Schutz von Boden, Luft und Wasser.
Über Monate stritten die beiden Minister im Vorjahr etwa über die Zulassung des Pflanzengifts Glyphosat. Zudem hatte Hendricks in ihrem „Klimaschutzplan 2050“ größere Anstrengungen der Landwirtschaft verlangt, was bei Schmidt ebenfalls auf Widerstand stieß.
Hendricks wirft Schmidt Blockadehaltung vor
Hendricks verwies in ihrem aktuellen Brief darauf, dass die Grundwasserbelastungen Deutschland schon vor den Europäischen Gerichtshof gebracht hätten. „Bis zuletzt wurden längst vereinbarte Regelungen beim Düngerecht immer wieder infrage gestellt“, kritisierte Hendricks den Landwirtschaftsminister.
Sie habe mit Schmidt um „jeden Millimeter“ Verbesserungen ringen müssen. Auch Regelungen zum Trinkwasserschutz bei Lecks an Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen kämen nicht voran: „Seit Beginn dieser Legislaturperiode blockieren Sie die bereits vereinbarte Rechtsverordnung – und sorgen nebenbei für Rechtsunsicherheit bei vielen gewerblichen und industriellen Betrieben“, schreibt Hendricks.
von
Günter Schwarz – 06.02.2017