Heute finale Abstimmung des Britisches Unterhaus über Brexit-Gesetz
(London) – Das Brexit-Gesetz geht heute in die entscheidende Abstimmung im Unterhaus. Premierministerin May will sich damit die Vollmacht für den Scheidungsantrag von der EU holen. Erwartet wird, dass die Abgeordneten zustimmen und den Gesetzentwurf billigen, aber einige Fragen sind noch offen.
Zur Erinnerung: 51,9 Prozent der Briten (17,4 Millionen Menschen) stimmen am 23. Juni 2016 für einen Austritt aus der Europäischen Union. 16,1 Millionen Menschen und damit 48,1 Prozent der Beteiligten stimmen für den Verbleib in der EU. Die Europäische Gemeinschaft mit bisher 28 Staaten wird damit in die schwerste Krise ihrer Geschichte gestürzt. Das Referendum geht auf den konservativen Premierminister David Cameron zurück, der vehement für den Verbleib Großbritanniens in der EU warb und nach der Niederlage seinen Rücktritt angekündigt hat.
Mehr als sieben Monate sind seit der Volksabstimmung für den Austritt aus der EU bereits vergangen. Die britische Regierung nahm sich danach viel Zeit, doch jetzt macht die Premierministerin Druck. Theresa May will, dass das Unterhaus ihr heute grünes Licht dafür gibt, das Kündigungsschreiben in Brüssel überreichen zu können: „Unsere europäischen Partner wollen jetzt mit den Austrittsverhandlungen beginnen, und ich will das auch.“
Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, setzte die Abgeordneten seiner Partei für die Abstimmung am Abend unter Fraktionszwang. Bei einer ersten Abstimmung vergangene Woche hatte sich eine große Mehrheit für das Gesetz ausgesprochen.
Versuche der Opposition, Änderungen an dem knapp gehaltenen Gesetzestext vorzunehmen, waren am Dienstag zunächst gescheitert. Brexit-Staatssekretär David Jones hatte angekündigt, das britische Parlament werde über ein Abkommen mit der EU am Ende der zweijährigen Austrittsverhandlungen abstimmen dürfen. Eine Ablehnung werde aber nicht zu Nachverhandlungen führen.
Theresa May warnte die Abgeordneten davor, kurz vor der abschließenden Abstimmung noch einmal Sand ins Getriebe zu streuen. Es sei jetzt nicht die Zeit, den demokratischen Willen des Volkes aufzuhalten. Es sei Zeit, „mit dem Austritt weiterzukommen und ein unabhängiges, sich selbst regierendes und globales Großbritannien aufzubauen“.
Premierministerin May versprach, sie werde gleich zu Beginn der Verhandlungen mit der EU versuchen, eine Regelung für die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien und für Briten in der EU zu finden. Ob es Abgeordneten gelingen wird, der Regierung drüber hinaus Zugeständnisse abzuringen, ist fraglich.
Das schottische Regionalparlament in Edinburgh stimmte derweil in einer Protestabstimmung am Dienstag gegen das Brexit-Gesetz der britischen Regierung. Mit 90 zu 34 Stimmen brachten die Abgeordneten ihre Ablehnung gegen das Gesetz zum Ausdruck. Die schottische Regierung hatte zu der Abstimmung aufgerufen, obwohl diese keine rechtliche Relevanz hat.
Das höchste britische Gericht hatte vergangenen Monat entschieden, dass die Regierung in London den geplanten Austritt aus der EU nur mit Zustimmung des Parlaments in London einleiten darf. Die Volksvertretungen in den Regionen Schottland, Wales und Nordirland bekamen kein Mitspracherecht. Die Mehrheit der Schotten hatte sich beim Brexit-Referendum im vergangenen Jahr gegen einen EU-Austritt Großbritanniens ausgesprochen.
Schon vor einer Woche hatte sich das Unterhaus mit großer Mehrheit grundsätzlich dafür ausgesprochen, den Austritt in Gang zu setzen. Läuft das Gesetz heute glatt durch – und stimmt auch das Oberhaus zu – könnte May – nach der Unterzeichnung des Gesetzes durch die Queen – mit dem Austrittsschreiben im Gepäck Anfang März zum EU-Gipfel nach Brüssel reisen.
von
Günter Schwarz – 08.02.2017