Nach der allgemeinen Folketingswahl gewinnt Anders Fogh Rasmussen am 8. Februar 2005 als erster Venstre (sozialliberale Partei) Statsminister, wie in Dänemark der Premierminister heißt, abermals die Wahl und kann mit seiner liberalen Regierung weiterregieren.

Der am 26. Januar 1953 in Ginnerup in Jylland (Jütland) geborene dänische Ventre-Politiker Anders Fogh Rasmussen war Ministerpräsident beziehungsweise Statsminister von Dänemark von 2001 bis 2009, und von 1998 bis 2009 war er auch Vorsitzender der Venstre-Partei. Danach wurde er von 2009 bis 2014 Generalsekretär der NATO in Brüssel. Seit 2015 arbeitet Rasmussen als Berater für des weltweit tätige Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen Goldman Sachs mit Sitz in New York City.

Rasmussen ist seit 1978 mit Anne-Mette (* 1958) verheiratet. Das Paar hat die drei gemeinsamen Kinder: Unternehmer und Buchautor Henrik Fogh Rasmussen (* 1979), Maria (* 1981) und Christina (* 1984) sowie sechs Enkelkinder. Rasmussen ist evangelisch-lutherischen Glaubens.

Rasmussen studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Aarhus und erhielt dort 1978 seinen Abschluss. Er war früh in den Jugendorganisationen der rechtsliberalen Venstre aktiv und wurde bereits mit 25 Jahren in das Parlament Folketing gewählt.

Von 1987 bis 1990 war er Steuerminister im Kabinett von Poul Schlüter, ab 1990 zusätzlich Wirtschaftsminister. 1992 musste Rasmussen als Minister zurücktreten, nachdem eine Untersuchungskommission zu dem Schluss gekommen war, dass er dem Parlament ungenaue und unvollständige Informationen über die „kreative Buchführung“ in seinem Ministerium geliefert hatte.

1998 wurde er zum Vorsitzenden der sozialliberalen Venstre Partei gewählt. Bei der Parlamentswahl im November 2001 gewann die Venstre 31,3 % der Stimmen. Das Ergebnis bedeutete eine Zäsur für die politische Landschaft Dänemarks, da die Sozialdemokraten erstmals seit 1920 nicht mehr stärkste politische Kraft im Folketing waren. Anders Fogh Rasmussen wurde als Ministerpräsident Nachfolger des Sozialdemokraten Poul Nyrup Rasmussen. Er bildete eine Minderheitskoalition mit Det Konservativen Folkeparti (Konservative Volkspartei), die im Parlament von der rechtspopulistischen Dansk Folkeparti (Dänischen Volkspartei) unterstützt wurde.

Rasmussen vertrat wirtschaftsliberale Grundsätze. In seinem Buch „Fra socialstat til minimalstat“ (Vom Sozialstaat zum Minimalstaat) plädierte er für eine Umformung des dänischen Wohlfahrtsstaates im Geiste neoliberaler Politik. Nach den Wahlen 2001 initiierte seine Partei einen „Steuerstopp“, was von Anhängern der Opposition als „antisozial“ und „Umschichtung zu Gunsten der Reichen“ verurteilt wurde. 2004 wurden die Steuersätze leicht gesenkt. Insgesamt stiegen die Staatsausgaben jedoch auch unter seiner Regierung stärker als die Inflationsrate.

Im Jahr 2002 übte Fogh Rasmussen die EU-Ratspräsidentschaft aus. Seine Hauptaufgabe bestand darin, Beitrittsverhandlungen zu leiten. Er befürwortete den Beitritt Maltas und Zyperns zur Europäischen Union, äußerte sich aber wiederholt kritisch zu einer EU-Mitgliedschaft der Türkei. Auf dem Brüsseler EU-Gipfel 2005 lehnte aber nur Österreich eine Aufnahme der Türkei in die EU ab, so dass Beitrittsverhandlungen beginnen konnten.

Im Golfkrieg 2003 unterstützte die Regierung Fogh Rasmussen die USA und entsandte ein dänisches Kontingent in den Irak. Wie in anderen europäischen Staaten war dieser Krieg auch in Dänemark sehr umstritten. Im März 2003 stellte Rasmussen als einen Grund der Unterstützung der Militärintervention dar, dass Irak Massenvernichtungswaffen habe: „Der Irak hat Massenvernichtungswaffen. Das ist nichts, was wir nur glauben. Wir wissen es. Der Irak hat selbst zugegeben, dass er Senfgas, Nervengas und Anthrax (Milzbrand) besitzt, aber Saddam will keine Ruhe geben. Er will uns nicht sagen, wo und wie die Waffen vernichtet wurden. Wir wissen es von den UN-Inspektoren und deshalb gibt es für mich keinen Zweifel.“ Rasmussen bestritt, dass die Annahme von Massenvernichtungswaffen Grund für den Kriegseintritt Dänemarks gewesen sei. Der Antrag der Regierung vom März 2003 an das Parlament, dem Kriegseinsatz zuzustimmen, erwähnt Massenvernichtungswaffen jedoch zehn Mal. Rasmussen soll vor dem 18. März 2003 vom eigenen Auslandsgeheimdienst gewusst haben, dass es keine Beweise für Massenvernichtungswaffen gebe: Der dänische Geheimdienstler und Whistleblower Frank Grevil erklärte gegenüber der dänischen Tageszeitung „Dagbladet Information“: „Ich wusste, was wir in unseren Berichten geschrieben hatten. Aber wenn man die Regierung hörte, hatte man den Eindruck, als ob niemand das gelesen hätte.“ Grevil wurde wegen Geheimnisverrats zu sechs Monaten Haft verurteilt.

Im Nachhinein stellte sich die Frage nach der Rolle von Premier Rasmussen und seiner Regierung hinsichtlich der Informationspolitik und der Mitschuld dänischer Soldaten an der Misshandlung von Kriegsgefangenen. Rasmussen habe die Folter verheimlicht. Außenminister Villy Søvndahl warf Rasmussen vor, er habe sich „grober Irreführung“ des Parlaments schuldig gemacht, er habe „ausgestrichen, statt zu informieren“, nachdem fünf irakische Gefangene den dänischen Staat wegen ihrer Misshandlung in irakischer Obhut verklagt hatten. Verteidigungsministers Søren Gade hatte im Parlament mehrmals wahrheitswidrig behauptet, dänische Truppen würden keine Gefangenen an irakische Behörden ausliefern, man habe „keine Misshandlung“ konstatiert. „Die Regierung log, weil sie keine Kritik an der Kriegsteilnahme wünschte“, sagte Frank Aaen, Abgeordneter der linken Enhedslisten (Einheitsliste). „Wäre sie offener gewesen, hätte man Menschen retten können, die ausgeliefert und gefoltert oder gar hingerichtet wurden.“

Nachdem er 1998 den Vorsitz der Venstre übernommen hatte, rückte er die Partei in die rechte Mitte und versprach im Wahlkampf von 2001 eine Änderung des Ausländerrechts, „um mehr Platz zum Atmen“ zu bekommen.

So kündigte er unter anderem die Ernennung eines „Ausländerministers“ an, der den Zuzug von Ausländern begrenzen sollte, und begab sich durch die Forderung, vor allem die Zahl der Eheschließungen von Einwanderern mit Partnern aus ihrer Heimat zu reduzieren, auf eine Gratwanderung im Bereich der Menschenrechte. Auch die in Aussicht gestellte Wende bei der Ausländer- und Flüchtlingspolitik, die praktisch auf eine Abschaffung des politischen Asyls hinausliefe, wäre mit geltenden EU-Regelungen nicht vereinbar gewesen. Auf einem Wahlplakat wurden kriminelle Muslime abgebildet, und die Forderung „Zeit für Veränderung“. Im humanitären Bereich engagierte Politiker wie die linksliberale Entwicklungshilfeministerin Anita Bay Bundegaard wurde von Parteigängern als „weiße Unschuld“ verspottet.

Nachdem der erfolgreiche Wahlkampf die Venstre zum ersten Mal nach 80 Jahren wieder zur stärksten Partei im dänischen Parlament gemacht hatte, war Rasmussens erste Amtszeit unter anderem durch eine scharfe Ausländer- und Asylpolitik gekennzeichnet; auch Entwicklungshilfe und die Ausgaben für die Umwelt wurden gekürzt. Berichte etwa des Europarats, die Dänemark ein zunehmendes Klima der Intoleranz und des Ausländerhasses attestierten, befahl Rasmussen noch 2006 „In den Papierkorb“ zu werfen, er könne solche Kritik aus dem Ausland nicht ernst nehmen.

Die Regierung nahm vor. Das dänische Ausländerrecht gilt nach den restriktiven Änderungen als das schärfste Europas.

Bei der Folketingswahl 2005 verlor Venstre vier Parlamentssitze, konnte die Minderheitsregierung aber aufgrund von Gewinnen seiner Koalitionspartner fortsetzen. Im Wahlkampf stand Fogh Rasmussen insbesondere für sein Krisenmanagement nach der Tsunami-Katastrophe in Südostasien in der Kritik; auch zahlreiche dänische Touristen waren unter den Opfern gewesen.

Aufgrund zunehmender politischer Diskrepanzen innerhalb der Regierung schrieb Fogh Rasmussen im Oktober 2007 vorzeitig Neuwahlen des Folketings aus, die am 13. November 2007 stattfanden. Die von Fogh erhofften „klareren Verhältnisse“ stellten sich jedoch nicht ein. Zwar blieb die Verteilung der Mandate zwischen dem „roten Block“, der Helle Thorning-Schmidt unterstützte, und dem „blauen Block“ der bürgerlichen Parteien unverändert, doch verlor Venstre weitere sechs Mandate. Da diese von Dansk Folkeparti und der neuen Partei Ny Alliance um Naser Khader ausgeglichen wurden, war die Stellung der Regierungskoalition gegenüber ihren parlamentarischen Unterstützungsparteien weiter geschwächt. Dennoch setzte Fogh Rasmussen die bisherige Regierung mit nur einer personellen Umbesetzung fort.

Nach seiner Nominierung für den Posten des NATO-Generalsekretärs trat er am 5. April 2009 als dänischer Regierungschef zurück. Er übergab das Amt an seinen Stellvertreter in der Partei und Finanzminister Lars Løkke Rasmussen, der heute im Jahr 2017 seit dem Jui 2015 wieder dänischer Statsminister und damit Regierungschef ist.

von

Günter Schwarz – 08.02.2017