Was geschah am 10. Februar 1920 in unserem Dänemark?
Eine überwältigende Mehrheit der Stimmen in Sønderjylland (Nordschleswig ) zu dem Referendum vom 10. Februar 1929 für die Wiedervereinigung der Region mit Dänemark entscheidet sich für das Königreich.
Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 wurden im zwischen Preußen, Österreich und Dänemark geschlossenen Friedensvertrag von Wien die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg aus dänischer Hoheit gelöst und der gemeinsamen Verwaltung durch Preußen und Österreich unterstellt. Vor dem Krieg waren Schleswig als dänisches Herzogtum und Holstein sowie Lauenburg als Mitglieder des Deutschen Bundes Teil des dänischen Gesamtstaates gewesen. Zwei Jahre nach dem Krieg kam es zum Bruch zwischen den beiden deutschen Mächten.
Im Paragraph 5 des Prager Friedensvertrages von 1866 nach dem Deutschen Krieg verpflichtete sich Preußen auf französischen Druck gegenüber England und Frankreich, im nördlichen Teil des nach dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 an Preußen abgetretenen Schleswigs binnen 6 Jahren ein Referendum zur Staatszugehörigkeit durchzuführen. Diese Bestimmung wurde Dänemark offiziell mitgeteilt. Bismarck ließ die sechs Jahre verstreichen und kam auch auf dänisches Anmahnen auf Erfüllung des Vertrages dieser Bestimmung nicht nach. Im Jahre 1878 wurde diese Nordschleswig-Klausel des Prager Friedens auf Betreiben Bismarcks noch vor dem Beginn des Berliner Kongresses in einem geheimen Abkommen zwischen Deutschland und Österreich aufgehoben. Dieses Abkommen wurde erst ein halbes Jahr später veröffentlicht, weil Österreich vermeiden wollte, dass es so aussah, als wenn es Deutschland vor dem Berliner Kongress entgegengekommen sei. Daher wurde dieses Abkommen erst am 4. Februar 1879 im Reichsanzeiger verkündet. Trotzdem hielt Dänemark weiterhin an der Erfüllung des deutschen Versprechens fest, eine Volksabstimmung in Nordschleswig durchzuführen. Erst im Jahre 1907 erkannte Dänemark im Optantenvertrag von København die Grenzziehung von 1864 als endgültig an.
Nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg, an dem Dänemark nicht teilgenommen hatte, wurde im Versailler Vertrag eine Volksabstimmung für die nördlichen Bereiche Schleswigs vorgesehen und dabei die Abstimmungszonen und -modalitäten nach den Wünschen Dänemarks definiert.
Es wurden zwei Abstimmungszonen bestimmt. In der nördlichen Zone I wurde en bloc abgestimmt, was bei der zu erwartenden dänischen Gesamtmehrheit bedeutete, dass lokale grenznahe Mehrheiten für Deutschland keine Berücksichtigung finden würden. In der südlichen Zone II mit zu erwartender deutscher Mehrheit wurde einen Monat später abgestimmt, und die Auswertung der Ergebnisse wurde gemeindeweise vorgenommen, so dass die Möglichkeit bestand, einzelne Gemeinden mit einer dänischen Mehrheit Dänemark zuzuschlagen.

Bei der Volksabstimmung in Nordschleswig am 10. Februar 1920 stimmten von 112.515 Stimmberechtigten 25.329 (24,98 %) für Deutschland und 75.431 (74,39 %) für Dänemark; 640 abgegebene Stimmen (0,63 %) waren ungültig.
Zone I bestand aus den damaligen Landkreisen
- Hadersleben (Haderslev): 6.585 Stimmen bzw. 16,0 % für Deutschland, 34.653 Stimmen bzw. 84,0 % für Dänemark, davon
- Stadt Hadersleben 3.275 Stimmen bzw. 38,6 % für Deutschland, 5.209 Stimmen bzw. 61,4 % für Dänemark;
- Apenrade (Aabenraa): 6.030 Stimmen bzw. 32,3 % für Deutschland, 12.653 Stimmen bzw. 67,7 % für Dänemark, davon
- Stadt Apenrade 2.725 Stimmen bzw. 55,1 % für Deutschland, 2.224 Stimmen bzw. 44,9 % für Dänemark;
- Sonderburg (Sønderborg): 5.083 Stimmen bzw. 22,9 % für Deutschland, 17.100 Stimmen bzw. 77,1 % für Dänemark, davon
- Stadt Sonderburg 2.601 Stimmen bzw. 56,2 % für Deutschland, 2.029 Stimmen bzw. 43,8 % für Dänemark und
- Flecken von Augustenburg 236 Stimmen bzw. 48,0 % für Deutschland, 256 Stimmen bzw. 52,0 % für Dänemark;
- Tondern (Tønder), nördlicher Teil: 7.083 bzw. 40,9 % für Deutschland, 10.223 Stimmen bzw. 59,1 % für Dänemark, davon
- Stadt Tondern 2.448 Stimmen bzw. 76,5 % für Deutschland, 750 Stimmen bzw. 23,5 % für Dänemark,
- Flecken Hoyer 581 Stimmen bzw. 72,6 % für Deutschland, 219 Stimmen bzw. 27,4 % für Dänemark und
- Flecken Lügumkloster 516 Stimmen bzw. 48,8 % für Deutschland, 542 Stimmen bzw. 51,2 % für Dänemark;
- Flensburg (Flensborg), nördlicher Teil: 548 Stimmen bzw. 40,6 % für Deutschland, 802 Stimmen bzw. 59,4 % für Dänemark.
Der deutsche Historiker Johannes Tiedje legte noch am Tag der ersten Abstimmung einen Gegenentwurf zum Grenzverlauf vor. Wäre der so genannte Tiedje-Gürtel bei Deutschland verblieben, wären die deutsche Minderheit in Dänemark kleiner, die dänische Minderheit in Deutschland größer und beide Minderheiten in etwa gleich groß ausgefallen. Der Entwurf wirkte sich in der Endphase des Wahlkampfes in Zone II aus.
Zone II („Mittelschleswig“)
Am 14. März fand die Volksabstimmung in Zone II, Mittelschleswig (dem heutigen nördlichen Südschleswig) mit Flensburg, Niebüll, Föhr, Amrum und Sylt, statt. Hier votierten von 70.286 Stimmberechtigten 51.742 (80,2 %) für Deutschland und 12.800 (19,8 %) für Dänemark; ungültige Stimmen wurden nicht ausgewiesen. Nur drei kleine Gemeinden auf Föhr hatten dänische Mehrheiten, verblieben jedoch bei Deutschland. So blieb Zone II geschlossen bei Deutschland.
Zone II bestand aus den damaligen Landkreisen:
- Tondern, südlicher Teil: 17.283 bzw. 87,9 % für Deutschland, 2.376 Stimmen bzw. 12,1 % für Dänemark;
- Flensburg, südlicher Teil: 6.688 Stimmen bzw. 82,6 % für Deutschland, 1.405 Stimmen bzw. 17,4 % für Dänemark;
- Husum, nördlicher Teil: 672 Stimmen bzw. 90,0 % für Deutschland, 75 Stimmen bzw. 10,0 % für Dänemark
und der
- Stadt Flensburg: 27.081 Stimmen bzw. 75,2 % für Deutschland, 8.944 Stimmen bzw. 24,8 % für Dänemark
Zone III („Dannewerkslinie“)
Eine dritte Abstimmungszone, die bis zu einer Linie Husum-Schlei oder Eider-Schlei (Danewerklinie) reichte, wurde von den dänischen Nationalliberalen vorgeschlagen. Sie wurde überraschenderweise in den ersten Entwurf zur Abstimmungsregelung aufgenommen, aber nach heftigen Auseinandersetzungen innerhalb Dänemarks auf Betreiben der dänischen Regierung vom endgültigen Ablauf gestrichen.
Abstimmungskommission
Die Volksabstimmung wurde 1920 unter Aufsicht der Interalliierten Abstimmungskommission für Schleswig (französisch: „Commission Internationale de Surveillance du Plébiscite Slesvig (CIS)“) durchgeführt. Die CIS war ab 1919 aktiv und übte in dieser Zeit auch kommissarisch das Hoheitsrecht über Schleswig aus. Die Kommission bestand aus dem Briten Sir Charles Marling (Präsident), dem Franzosen Paul Claudel, dem Norweger Thomas Thomassen Heftye und dem Schweden Oscar von Sydow. Ein zusätzlicher Sitz stand den Vereinigten Staaten von Amerika zur Verfügung, wurde aber nicht besetzt. Als Generalsekretär der CIS fungierte der Brite Charles Frederick Brudenell-Bruce. Der deutsche Landrat vom Kreis Tondern Emilio Böhme war neben dem dänisch-gesinnten Redakteur Hans Peter Hanssen als Berater der Kommission zugeteilt.
Abtretung Nordschleswigs
Die Abtretung Nordschleswigs an Dänemark erfolgte am 15. Juni 1920. Der Tag wird in Dänemark als Genforeningsdag (Wiedervereinigungstag) bezeichnet und es werden am 15. Juni noch heute in Sønderjylland Genforeningsfest (Wiedervereinigungsfeiern)gehalten, obwohl bereits der damalige Premierminister Niels Neergaard in seiner Wiedervereinigungsrede am 11. Juli 1920 ausführte, dass man zwar von dänischer Seite aus von Wiedervereinigung spräche, jedoch „niemals in unserer [Dänemarks] tausendjährigen Geschichte Sønderjylland [Schleswig] eins mit Dänemark gewesen war..bis die Nordschleswiger für den Beitritt zu Dänemark gestimmt haben“. Bis heute werden in Nordschleswig auch Abstimmungsfeiern am 10. Februar veranstaltet.
Hintergrund für die verschiedenen Sichtweisen: Die erste Vereinbarung der Eider-Grenze wurde 811 zwischen Karl dem Großen und dem Wikingerherrscher Hemming zu einer Zeit getroffen, als es in Dänemark nur regionale Königreiche gab. Im 10. Jahrhundert schuf Gorm der Alte ein immer noch heidnisches Reich, das erstmals die Bezeichnung Dänemark verdiente.
Im Jahr 934 eroberte das Heilige Römische Reich den südlichsten Teil des heutigen Schleswigs zwischen Eider und Schlei, das als Mark Schleswig (oder als Dänische Mark) bezeichnet wurde. Gorms christlichem Nachfolger Harald Blauzahn wurde diese Mark 969 zu Lehen gegeben, aber 974 wieder entzogen. Erst 1024 wurde sie Knut dem Großen überlassen und unterstand seither dauerhaft der dänischen Krone, allerdings überwiegend nur als Lehen. Lange Zeit stellten auch die Grafen von Holstein, das dem Heiligen Römischen Reich angehörte, Herzöge von Schleswig, so dass sich eine enge Beziehung mit dem südlichen Holstein entwickelte. Nach 1460 bestand eine Personalunion mit dem dänischen König; zugleich war das Herzogtum ein Lehen des Königreiches Dänemark: Die dänischen Könige waren somit Herzöge in Schleswig oder in den königlichen Anteilen hiervon und als dänischer König zugleich ihre eigenen Lehnsherren.
von
Günter Schwarz – 10.02.2017