(Budapest) – Die ungarische Regierung will Flüchtlinge während des Asylverfahrens künftig in Container-Lagern festhalten. Allerdings muss das Parlament das Vorhaben noch bewilligen, doch das gilt nur noch als „Formsache“. Die ungerarische Regierung stört nicht im geringsten, dass alle Migranten einzusperren, die Menschenrechte und das EU-Recht verletze, kritisieren Menschenrechtsorganisationen.

Bei einem ähnlichen Plan war Ungarns Regierung vor vier Jahren unter Druck von EU, UNO und Menschenrechtsgerichtshof „zurückgekrebst“, und es ist nur zu hoffen, dass es dieses Mal wieder gelingt, die populistische Regierung unter Victor Orbán abermals die Schranken aufzuweisen.

An der ungarischen Landesgrenze sollen nach Regierungsplänen Container für jeweils 200 bis 300 Flüchtlingen errichtet werden. „Migranten müssen dort bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über ihren Asylantrag warten“, hat Kabinettsminister Janos Lazar angekündigt.

„Wir rechnen mit Debatten mit der EU-Kommission und anderen Organisationen, aber diese Leute reisen alle illegal ein. Deshalb braucht es diese Maßnahme.“

Das ungarische Parlament, in dem die Regierungspartei eine äußerst komfortable Mehrheit hat, wird die notwendigen Gesetzesänderungen durchwinken.

Menschenrechtler sind alarmiert

Legal würden die Pläne dadurch allerdings nicht, sagt Marta Pardavi vom Helsinki-Komitee in Budapest, einer Organisation, die sich für die Rechte von Asylsuchenden einsetzt. „Alle Migranten einzusperren, verstößt gegen die Menschenrechte der UN-Charta und gegen EU-Recht“, stellt Marta Pardavi vom Helsinki-Komitee für Rechte Asylsuchender fest. Zwar dürfen in der EU Asylsuchende eingesperrt werden, etwa wenn die Gefahr des Untertauchens besteht, doch ist es nur eine Maßnahme für Notfälle und bei begründeten Einzelfällen.

Alle Flüchtlinge sollen eingesperrt werden

Die EU-Behörden sollten auch Herkunft, Alter und die Verfassung der Betroffenen berücksichtigen. Die ungarische Regierung will aber nicht nur mögliche Wirtschaftsflüchtlinge, sondern auch Kinder, Jugendliche, Familien, Kriegstraumatisierte, Alte, Kranke und Vergewaltigungsopfer einsperren.

Das Helsinki-Komitee befürchtet, dass schon bald Hunderte Migranten in den Containerlagern festsitzen werden. Schon heute lehnt Ungarn fast alle Asylgesuche in Höchstgeschwindigkeit ab, ohne dass die Asylsuchenden je einen Beamten gesehen hätten, was zeigt, wie weit Rechtspopulisten wie Victor Orbán und seine Zidesz Partei („Ungarischer Bürgerbund“) sich von jeglicher Rechtstaatlichkeit entfernt haben.

Sicherheitslage nur ein Vorwand

Zur Begründung der geplanten Containerlager verwies Minister Lazar auch auf die Sicherheitslage nach den Terroranschlägen in Europa. Pardavi vermutet allerdings, dass es der Regierung von Premierminister Viktor Orbán tatsächlich um ganz etwas anderes gehe. „Erstens soll Ungarn noch unattraktiver für Migranten werden und zweitens könnten andere EU-Staaten Migranten, die in Ungarn erstmals registriert worden sind, nicht mehr hierher zurückgebracht werden“, sagt Marta Pardavi

Denn Ungarn gelte dann als ein Land, in dem Menschenrechte verletzt würden. Rückführungen in solche Länder sind verboten, auch wenn sie im EU-Dublinsystem eigentlich vorgesehen sind. Solche Rückführungen nach Ungarn finden derzeit noch statt, wenn auch nicht in hoher Zahl.

Schon der zweite Anlauf

Bereits vor vier Jahren spielte die Regierung von Premier Orbán mit der Idee, Migranten systematisch einzusperren. Damals „krebste“ sie unter dem Druck der EU, der UNO und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aber wieder zurück.

Regierung rüstet sich für die Wahlen

Ob die ungarische Regierung den Moment gekommen sieht, EU und internationales Recht zu ignorieren, ist ungewiss, aber es liegr sehr nahe. Sicher ist, dass sie wieder die Rolle der Vorreiterin einer immer härteren Linie gegen Flüchtlinge sucht. Denn in einem Jahr finden Wahlen in Ungarn statt.

Ungarns Flüchtlingspolitik

Ungarns Flüchtlingspolitik ist eine der restriktivsten in der EU. Der rechts-nationale Ministerpräsident Viktor Orban konnte seine schwindende Popularität zu Hause durch seine rigide Flüchtlingspolitik deutlich stärken. Er stellt Migranten immer wieder als «Wirtschaftsflüchtlinge» und potenzielle Terroristen dar.

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 liess Ungarn als erstes europäisches Land an den Grenzen zu Serbien und Kroatien Zäune bauen. Die Balkanroute, die die Flüchtlinge aus Afrika und dem nahen Osten bisher hauptsächlich genutzt hatten, war damit weitgehend unterbrochen.

Zudem sperrt sich Ungarn zusammen mit Polen, Tschechien und der Slowakei gegen die Flüchtlingsquote, mit der Asylbewerber gleichmässiger auf die EU-Länder verteilt werden sollen. Mit einer Volksabstimmung zur Flüchtlingsquote ist Orban letztes Jahr jedoch wegen zu tiefer Beteiligung gescheitert.

Seit vergangenem Juli schiebt Ungarn Flüchtlinge, die den Zaun überwunden haben und innerhalb eines acht Kilometer breiten Streifens entlang der Grenze angetroffen werden, nach Serbien zurück, was von UNO und Menschenrechtsorganisationen als rechtswidrig kritisiert wird. Den Menschen werde so die Möglichkeit verwehrt, einen Asylantrag zu stellen.

von

Günter Schwarz – 11.02.2017