An den US-Präsidenten Donald Trump scheiden sich die Geister, doch wenig in der aktuellen Berichterstattung lässt sich als sachliche Kritik bezeichnen – Trump reizt zur emotionalen Kritik. Sicher wäre es dennoch nötig, einen unaufgeregten Blick auf die Chancen und Risiken, welche die Präsidentschaft Trumps mit sich bringt, zu wagen, um „das Problem Trump“ weitestgehend zu versachlichen, denn er ist nun einmal zum US-Präsidenten gewählt worden und ob es gefällt oder nicht, zu ändern ist nichts mehr daran.

Eventuell ist ein Zitat des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauss ganz hilfreich zur Versachlichung von Trumps verbalen Ausbrüchen beizutragen, denn auch der Bayer war zu seinen Lebzeiten für seine „Wortgewaltigkeit“ berühmt berüchtigt. Strauss sagte jedenfalls: „Erst muss es zum totalen Offenbarungseid und zum Schock kommen. Erst dann kann man erfolgreich mit einem Neuaufbau beginnen.“

Auch die kanadische Journalistin, Globalisierungskritikerin und politische Aktivistin Naomi Klein skizziert in ihrem Bestseller „Die Schock-Strategie“, wie man politische Macht gegen den Willen der Mehrheit durchsetzt, indem Schocks künstlich erzeugt oder Katastrophen ausgenutzt werden.

Klein zieht Parallelen zwischen der Elektroschocktherapie in der Psychiatrie, die die CIA in den 1950er Jahren als Gehirnwäsche praktizierte und spannt den Bogen bis hin zur neoliberalen Agenda. Durch den Militärputsch in Chile 1973 wurde erstmals ein Land als Testlabor für die Thesen Milton Friedmans in Geiselhaft genommen. Stringent argumentierend erklärt Naomi Klein, wie Privatisierung, Deregulierung und die Ideologie der freien Märkte den Rechtsstaat aushebeln. Konzerne und der Geldadel übernehmen die Macht. Hohe Arbeitslosigkeit, starke Zunahme der Armut und die Zertrümmerung des sozialen Wohlfahrtsstaates sind die Folgen davon. Das Ziel ist klar: die maßlose Bereicherung der obersten zehn Prozent auf Kosten aller anderen.


Naomi Klein, kanadische Journalistin, Globalisierungskritikerin und politische Aktivistin
Die Auswüchse der Finanzkrise und die Politik der Austerität beziehungsweise der restriktiven Finanzpolitik bestätigen Kleins These. Die von der EU-Troika Griechenland diktierten „Strukturreformen“ haben das Land ökonomisch und sozial ruiniert, so dass für Griechenland die schlimmste Krise aller Zeiten angebrochen und ein Ende nicht absehbar ist. 

Ohne den Schock der Krise wäre es nicht möglich gewesen, Millionen Menschen das ökonomische Diktat der EU aufzuzwingen. Der Wahnsinn dieser Politik offenbarte sich, als der Internationale Währungsfonds zugeben musste, sich „geirrt“ zu haben. Eine interne Studie konnte sämtliche neoliberalen Dogmen widerlegen.

Trumps Rede:  Vision oder Kriegserklärung?

Für die Anhänger Trumps war es dessen Antrittsrede, in der der schon in Vergessenheit geratene Traum – „Make America Great Again“ – pathetisch aufleuchtete. Sie fühlten sich in ihrer Wahl bestätigt und hoffen, dass er seine Versprechen einlöst. Seine Gegner empfanden Trumps Worte als Hetze, da er das Establishment in Washington unverhohlen angriff. George Soros‘ wohlfeil gesponserte und Wochen im Voraus organisierte Demonstrationen folgten sofort am nächsten Tag. Die Schlagzeile: „Not My President“ sprang allen Zeitungslesern von Los Angeles bis New York ins Auge.

Als Schock mag auf viele US-Bürger Trumps Aussage, dass die „Feinde der Amerikaner hier zu Hause“ sind, gewirkt haben, denn er nannte auch klar jene Interessengruppen, die er als „The Enemy“ sieht: Globalisten, neoliberale Ökonomen, Neokonservative und das politische Establishment, das Amerika spaltete und sich dabei immens bereicherte. Doch welche Interessengruppen hat Trump gegen sich?

  • die Aktionäre der Konzerne, die ihre Milliarden in Offshore-Zentren geparkt haben, werden Gewinneinbrüche erleiden, wenn es Trump gelingt, Jobs aus Asien nach Hause zu holen – andererseits würde dieser Erfolg viele Amerikaner, die ihn deshalb wählten, wirtschaftlich absichern;
  • der militärische und private Sicherheits-Komplex mit einem Budget von ca. 1.000 Mrd. US-Dollar müsste starke Einbußen hinnehmen, wenn Trump sich von der Ideologie der russischen Bedrohung löst; diese Mittel können in die heruntergekommene Infrastruktur investiert werden um damit viele Jobs schaffen;
  • der Finanzsektor schlägt Profit aus der Schuldknechtschaft der Bevölkerung und verdient prächtig an den Renten, die in Veranlagungsmodellen stecken; unkontrollierte Schattenbanken, wie Hedge- und Private Equity-Fonds, können jederzeit eine neue Finanzkrise auslösen;
  • zwar haben die Republikaner eine Mehrheit im Kongress, aber die meisten Mitglieder sind den mächtigen Lobbygruppen in den einzelnen Bundesstaaten verpflichtet; Trump hat keine Hausmacht und das könnte sich rasch als politischer Hemmschuh herausstellen;
  • ein Großteil der EU-Elite bezieht Macht und Einkommen über die NATO, die Trump in Frage stellt; die politischen Eliten haben sich von den Bedürfnissen der Menschen weit entfernt und wenn Trump ihre Verantwortung einfordert, sind Konflikte vorprogrammiert.

Donald Trump: vom Tabubrecher mit „Ansage“…

Viele hatten gehofft, dass Trump nach seiner Vereidigung zur Vernunft kommen und sich präsidiale Konventionen aneignen würde. Doch auch als Präsident setzt der Milliardär seine Tabubrüche fort. Der jüngste Eklat war Trumps Antwort auf die Frage eines FOX-Moderators, der Putin als „Mörder“ bezeichnete. Trump relativierte dies gelassen: „Es gibt eine Menge Mörder. Wir haben eine Menge Mörder. Glauben Sie, dass unser Land unschuldig ist“? Einige Senatoren liefen heiß und wiesen darauf hin, dass man Russland nicht mit den USA vergleichen könne. Der Klassiker der Doppelmoral verpuffte – ein medialer Aufschrei blieb aus. An die Tabubrüche werden sich die US-Bürger gewöhnen müssen.

Zwar kam es in den ersten Trump-Wochen auch zu einer Inflation an „Executive Orders“ (Dekrete), aber zum Einen löste Trump damit seine Wahlversprechen ein und zum Anderen werden diese stark überbewertet. Die präsidialen Erlasse können kein Gesetz aufheben oder verändern. Die Aufregung ist daher unverständlich, was die Details rund um die Unterlassung der Verordnung zur Immigration zeigen, wo nun juristische Ansichten zwischen den Gerichten und dem Weißen Haus abzuklären sind.

…zum Strategen des Paradigmenwechsels?

Im Gegensatz zu den meisten Politikern, löste Trump seine Wahlversprechen ein – die Überraschung ist daher eigentlich unverständlich. Neu ist, dass er gleichzeitig mehrere Büchsen der Pandora öffnet, was einige Verwirrung unter seinen mächtigen Gegnern stiftet. Alle Präsidenten regierten mittels Executive Orders und Befürchtungen, Trump würde den Kongress umgehen oder sein Handeln käme einem Staatsstreich gleich, sind nicht zutreffend. Trump steht für eine konservative Politik, und es ist nicht überraschend, wenn er diese nun umsetzt. Lassen sich Konturen einer Strategie ausmachen?

Immigration: die USA sind seit Jahrhunderten ein Land der Einwanderung, daran wird sich nichts Substantielles ändern. Es gibt ca. 15 MillionenMigranten ohne Aufenthaltserlaubnis, was vier Prozent der Bevölkerung ausmacht. Verglichen mit Deutschland ist dies ungefähr das Zehnfache der hiesigen Rate. In den USA stammt die Hälfte der illegalen Einwanderer aus Mexiko. Eine starke Reduzierung wird schwer umzusetzen sein, zumal viele in Agrar- und Autokonzernen arbeiten und diese auf Kosten der niedrigen Löhne hohe Profite einfahren. Trump steht vor der Herausforderung eine Balance zwischen Legalisierung und teilweiser Rückführung zu finden.

America First – Protektionismus: Österreichs Bundeskanzler ChristianKern will bei der Jobsuche Inländern einen Vorrang vor Immigranten sichern, was nicht den EU-Bestimmungen entspricht. Deutschland betreibt währenddessen durch exzessives Lohndumping eine unausgesprochene Politik von „Germany First“, mit der alle Importländer an die Wand gedrückt werden. Der Devisenkurs des US-Dollars gegenüber dem Euro stieg in den letzten zwei Jahren um 30 Prozent an. Das Ergebnis: die Exporte werden teurer – die Importe billiger. Die großen Überschussländer – China und Deutschland – hat Trump bereits aufgescheucht, und es wird sicher zu raschen Verhandlungen kommen müssen. Dass der neue US-Präsident TPP gestoppt hat, ist unterdessen ein gutes Zeichen für China, denn das Reich der Mitte war von dem Freihandelsabkommen ausgeschlossen.

Entspannung mit Russland: Trump erwähnte mehrmals, dass er „keinen Nachteil darin sehe, mit Russland gemeinsam den IS zu besiegen“. Auch sein Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko deutet an, dass es Trumps Ziel ist, für die Ukraine einen Frieden unter Einbindung Russlands zu finden. Dies würde größere Einnahmeausfälle für den militärischen Komplex bedeuten. Höhere Ausgaben anderer NATO-Staaten könnten diese kompensieren.

Finanzsektor – Frank-Dodd-Act: Obwohl etliche Bestimmungen zahnlos waren (wie z. B. dass die Ratingagenturen nicht als Experten gelten und daher nicht verklagt werden können, weil ihre „Expertisen“ nur ihre Meinung widerspiegeln) kann das Vorhaben von Trump, die Kreditvergaberichtlinien zu lockern, rasch zu einem Crash führen. Trumps Begründung – einige seiner Freunde bekämen schwer Kredite – klingt nach Vetternwirtschaft. Auch die generelle Annahme, dass durch Deregulierung mehr investiert wird, wird durch die Erfahrungen des letzten Jahrzehntes nicht bestätigt. Hinzu kommt, dass die Konzerne in Geld schwimmen und sie ihre Investitionen locker aus ihren Rücklagen bezahlen können. Diese Impulse können sehr kontraproduktiv sein – ein neuer Crash wird damit befeuert.

Medienmacht: Trump hat den Wahlsieg seiner strategisch klugen Medienstrategie zu verdanken, die die Mainstream Medien ausblendete und sich auf Social Media und das Internet konzentrierte. Die Rache für diese schwere Niederlage lässt der Mainstream Trump jetzt durch die überhitzte, teilweise unsachliche Berichterstattung spüren. Die Fronten scheinen sich zu verhärten, so dass sich eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Weißem Haus und Medienmainstream, wenn überhaupt, nur langfristig einpendeln kann.

Was nun? Zurück zur Eingangsfrage.

Die Schockwellen, die Trump in nur drei Wochen über den Planeten jagte, haben große Wirkung gezeigt. Sie könnten zu einer Redimensionierung des Welthandels führen, was letztlich sinnvoll wäre, da nicht einige Länder auf Kosten anderer ihren Wohlstandszuwachs erwirtschaften können. Gelingt es Trump, hier Nägel mit Köpfen zu machen und kann er auch das Verhältnis zum „Feind Russland“ normalisieren, dann wäre in zwei elementaren Bereichen viel gewonnen. Lockert Trump die Kreditvergabe der Banken jedoch, so ist ein Crash unvermeidbar. Dies stellt eine echte Gefahr für die Weltwirtschaft dar und den Menschen sind Bankenrettungspakete in Milliardenhöhe nicht mehr zu verkaufen. Ein „Aufstand der Mistgabeln“ ist dann eine sehr reale Perspektive.

Politik, sagt man, ist das Bohren dicker Bretter.

von

Günter Schwarz – 13.02.2017