Dänen diskutieren wieder darüber, wer ein „Däne“ ist
Dänemarks langjährige, man könnte auch sagen, anstrengende Diskussion darüber, was es bedeutet, ein „Däne“ zu sein, ist durch den Wortlaut einer vom Parlament genehmigten Erklärung wieder aufgelodert.
Die Dansk Folkeparti (DF / Dänische Volkspartei) hat in der vergangenen Woche eine Erklärung abgegeben, die aussagt, dass die Einwohner in Københavns Vorort Brøndby Strand, die einen „Migrationshintergrund“ haben, formell besorgt sind.
„Das Parlament stellt mit Besorgnis fest, dass es heute in Dänemark Gebiete gibt, in denen die Zahl der Immigranten aus nichtwestlichen Ländern und deren Nachkommen über 50 Prozent beträgt. Es ist die Meinung des Parlaments, dass Dänen keine Minderheit in Wohngebieten in Dänemark sein sollten „, heißt es in dieser Erklärung.
Die offizielle Erklärung wurde durch eine Abstimmung von 55 zu 54 Stimmen genehmigt, wobei die Regierungskoalitionsparteien Venstre, die Liberal Alliance und die Konservativen von der Dansk Folkeparti Unterstützung bekamen.
Alle Oppositionsparteien stimmten dagegen, viele nahmen die Erklärung „Dänen“ erst im zweiten Anlauf an. Die Kritiker behaupteten, dass das Parlament damit den dänischen Bürgern erklärt, die Immigranten oder Nachkommen von Immigranten sind im Grunde genommen nicht wirklich Dänen. Nach ihrer Lektüre der Erklärung wäre nur jemand „Däne“, dessen Eltern dänisch oder zumindest westlicher Herkunft ist.
Noch bevor die Erklärung angenommen wurde, stuften die Oppositionsparteien den Wortlaut des Textes als trennend und diskriminierend ein. „Dies ist eine der extremsten Eingruppierungen in ,sie und wir‘, die ich seit langer Zeit gesehen habe. Und dass mit den Stimmen von einer sogenannten liberalen Regierung – das ist zu viel“, schrieb Pernille Skipper von der Enhedslisten (Einheitsliste / Rot-Grüne Allianz) auf Facebook.
Auch Morten Østergaard, der politische Führer der Radikale Venstre (Sozial Liberale), hat sich mit dem Wortlaut auseinander gesetzt. „Wie werden wir jemals eine gute Integration erreichen, wenn schon von Vornherein gesagt wird, dass ihr ethnischer Hintergrund Sie davor ausschließt, je als dänisch betrachtet zu werden? Das ist nicht nur triviale Haarspalterei, das ist alarmierend!“ schrieb er.
Als die Debatte im Folketing über den Wortlaut der Erklärung begann, schien die Regierungskoalitionspartei Venstre es zu bedauern, oder zumindest gab es interne Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Fraktion. „Es wird so verstanden, als ob wir glaubten, dass Sie kein Dänen werden oder sein können, wenn Sie nicht in Dänemark geboren oder wenn Ihre Eltern nicht in Dänemark geboren sind. Das meinen wir damit natürlich nicht. Es gibt eine Menge Leute, die hierher kommen und Dänemark geradezu umarmen und dass die Dänen sind ist wunderbar „, sagte der Sprecher der Partei Jan Jørgensen am Sonntagmorgen und fügte hinzu, dass der Wortlaut „töricht“ sei.
Später, noch am selben Tag, sagte Jørgensens Parteikollege Marcus Knuth allerdings, dass Venstre doch zu dem Wortlaut stand.
Martin Henriksen von der Dansk Folkeparti verteidigte standhaft die Formulierung. „Ich denke, dass die meisten Dänen empört sind, dass es Orte in Dänemark gibt, wo die Dänen offensichtlich eine „inderheit sind“, sagte er in einer hitzigen TV2 Debatte. „Wenn man sich die offiziellen Statistiken ansieht, gibt es Orte, an denen Immigranten und Nachkommen von Immigranten aus nicht-westlichen Ländern die Mehrheit bilden. Wir von der Dansk Folkeparti halten das für ein Problem, und wir müssen darüber reden“, fügte Henriksen hinzu.
Es war auch Henriksen, der an eine vorherige Runde der nationalen Diskussion darüber erinnerte, wer in der Lage sein sollte, sich „dänisch“ nennen zu dürfen, als er sich weigerte zu bestätigen, ob ein 18-jähriger Mann in einer politischen Talkshow – der in Dänemark geboren wurde, dort aufwuchs und in staatliche Schulen ging sowie fließend dänisch spricht –ein „Däne“ ist. Henriksen sagte, er könne nicht sagen, ob Jens Philip Yazsani, dessen Mutter Dänin und Vater Iraner ist, ein Däne ist, weil er ihn nicht kenne.
Yazsani sagte, es war das erste Mal in seinem Leben, dass jemand sein „Dänischsein“ in Frage stellt, und der viel diskutierten Fernsehübertragung folgten zahlreiche Posts in den Sozialen Netzwerken über das Thema, was einen „Dänen“ ausmacht. Mittendrin in dieser Debatte ging es dann weiter, als Dronning Margrethe II. dem Spiegel sagte, Dänemark sei „nicht […] ein multikulturelles Land“.
Einige Wochen später verursachte die Königin, dass die Debatte um das „Dänischsein“ wieder aufflammte, indem sie geäußert hatte: „Es ist kein Naturgesetz, dass man in Dänemark dänisch wird.“ Dem folgte eine weitere langwierige und heftige Debatte über den ganzen Sommer 2016 mit dem Ergebnis der Dansk Folkeparti-Kampagne „Unser Dänemark“, die wegen mangelnder Differenzierung äußerst kritisiert wurde. Die Kontroverse wurde noch dadurch intensiviert, als Dansk Folkeparti-Sprecher Søren Espersen die Kampagne mit dem Wort verteidigte, das viele in Dänemark sie rassistisch finden.
„Ich persönlich bin blind, so dass ich nicht einmal weiß, von welcher Farbe sie [die Leute in der Kampagne] sind. … Wir könnten einen Neger in die Kampagne gesteckt haben, und was soll‘s? Was würde das ändern? „, sagte er in einem Interview mit TV2.
Es gab in der Tat so viele Debatten über das „Dänischsein“ im Jahr 2016, so dass es in Dänemark als das Wort des Jahres ausgewählt wurde. Sieben Wochen ist 2017 jetzt alt, und es sieht aus, als seien die Dänen nicht näher an die Entscheidung gekommen, wer ein „Däne“ ist.
von
Günter Schwarz – 14.02.2017