(Ankara) – Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und sein Regierungschef Yildirim wollen Wahlkampf in Deutschland betreiben. Kurz davor zeigt eine türkische Zeitung Kanzlerin Merkel als Nazi. Um das deutsch-türkische Verhältnis steht es mal wieder nicht zum Besten – vor allem wegen der DITIB-Spitzelaffäre.

Die regierungstreue türkische Zeitung „Yeni Akit“ ist nicht für ihr Niveau bekannt, in Deutschland wurde das Vorgängerblatt 2005 wegen Volksverhetzung verboten. Selbst für „Yeni Akit“ sind die Darstellungen von Angela Merkel auf der Titelseite vom Freitag allerdings bemerkenswert: Eine Fotomontage zeigt die Bundeskanzlerin mit Nazi-Armbinde. Weiter unten auf der Seite dann eine Karikatur, auf der Merkel ein Plakat mit „Nein DITIB“ hochhält, in der anderen Hand ein Plakat mit einem Hakenkreuz und einem „Ja“.

Vor dem Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim, der ab Samstag zu Gast in Deutschland ist, steht das schwierige bilaterale Verhältnis schon wieder vor der nächsten Krise. Dabei war der letzte Besuch der Kanzlerin in Ankara vor gerade einmal gut zwei Wochen noch glimpflich verlaufen. Und das, obwohl Merkel bei Recep Tayyip Erdoğan die Einhaltung von Freiheitsrechten anmahnte, worauf der türkische Staatschef empfindlich reagieren kann.

Yildirim will am Samstag den Wahlkampf in Deutschland für das Referendum in der Türkei eröffnen, was bei deutschen Politikern parteiübergreifend für Irritationen sorgt. In Oberhausen wird der Ministerpräsident bei seinen Landsleuten für ein „Ja“ bei der Volksabstimmung werben, mit der die Türken am 16. April über die Einführung eines Präsidialsystems entscheiden werden. Dass mit dem Systemwechsel nicht nur Erdoğan mehr Macht bekäme, sondern zugleich Yildirims Amt abgeschafft würde, tut dessen Loyalität keinen Abbruch.

Imame als Spitzel

Mehr Krisenpotenzial im bilateralen Verhältnis als Yildirims exterritorialer Wahlkampf-Auftritt hat allerdings der Moscheeverband DITIB. Rund 1.000 Geistliche hat die Yildirims Amt unterstellte Religionsbehörde Diyanet an die Ditib-Moscheen in Deutschland entsandt. Der Vorwurf: Ankara nutze die Imame als Spitzelnetz, um Anhänger der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen auszuspähen, den Erdoğan für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht.

Mit der Durchsuchung der Wohnungen von vier Imamen – die zu dem Zeitpunkt laut Diyanet allerdings schon wieder zurück in der Türkei waren – fand die Krise am Mittwoch ihren vorläufigen Höhepunkt. Diyanet-Präsident Mehmet Görmez räumte am Freitag zwar ein, dass insgesamt sechs Geistliche aus Deutschland abgezogen worden seien, weil sie Informationen über Gülen-Anhänger weitergegeben hätten. Zugleich betonte er aber, diese Imame hätten nur „ihre Kompetenzen überschritten“, von „Spionage“ könne keine Rede sein. Der Abzug sei ein „Zeichen des guten Willens“ – und kein Schuldeingeständnis.

Grundlage der Krise ist ein Schreiben von Diyanet an die türkischen Botschaften und Konsulate vom 20. September 2016, über das die „Rheinpfalz“ berichtete und das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Görmez räumt die Existenz des Briefes ein, in dem die Adressaten aufgefordert werden, detaillierte Berichte über Gülen-Strukturen an Diyanet zu schicken – und zwar „bis Dienstschluss am Dienstag, dem 27. September 2016“.

Rechtfertigung mit unbewiesenem Vorwurf des Terrors

Görmez betont aber, es sei nie darum gegangen, Einzelpersonen auszuspähen. Stattdessen habe es sich um ein legitimes Vorgehen gegen eine Terrororganisation gehandelt. Und der Diyanet-Chef fragt, ob die Empörung in Deutschland auch so groß wäre, wenn es in dem Brief nicht darum gegangen wäre, Informationen über die Gülen-Bewegung zu sammeln – sondern über die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Görmez weist zudem darauf hin, dass das Schreiben nicht an die Imame in den DITIB-Moscheen adressiert war, sondern an Religionsattachés in diplomatischen Vertretungen. Allerdings: Der Vorstandsvorsitzende von DITIB wird nominell zwar gewählt, ist aber seit der Gründung des Verbandes 1984 immer der Religionsattaché der türkischen Botschaft – der zugleich der ranghöchste Diyanet-Vertreter in Deutschland ist.

Görmez bemüht sich dennoch, DITIB als unabhängig darzustellen. „Wir können DITIB keine Anordnungen geben“, sagt er. „DITIB ist eine Einrichtung, die nach den deutschen Gesetzen gegründet wurde und eine eigene Körperschaft besitzt.“ Ein Blick in die DITIB-Satzung – die der Verband nicht auf seiner Homepage veröffentlicht und die sich die „Rheinpfalz“ vom Amtsgericht Köln beschafft hat – lässt aber keinen Zweifel daran, wie groß der Einfluss von Diyanet ist.

In den DITIB-Vorstand gewählt werden kann demnach nur, wer vom Beirat des Verbandes vorgeschlagen wird. Der Vorsitzende des Beirates ist laut Satzung „der Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten der türkischen Republik“ – also Diyanet-Chef Görmez.

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dpa – 18.02.2017