(Raindorf / Landkreis Regen) – Tief im Bayerischen Wald liegt das Örtchen Raindorf im Landkreis Regen. Dort ist die Welt noch in Ordnung. Eine Mordsgaudi war auch wieder der alljährliche „Negerball“ am vergangenen Samstag. Rassismus? Kann nicht sein, schließlich wird ja bei jeder Menge Weißbier und Weißwurst nebenbei auch Geld für die armen „Neger“ gesammelt. Doch der sogenannte „Negerball“ in Raindorf (Lkr. Regen) sorgt für hitzige Diskussionen. Facebook hatte einen Eintrag des Veranstalters nach einer Beschwerde gelöscht. Es gibt Kritiker und Befürworter – Bayern 1-Reporterin Renate Rossberger hat sich beide Seiten angehört.

Die „Dritte-Welt-Runde“ KiRiKi, setzt sich aus Gläubigen der drei Pfarreien Kirchberg, Rinchnach und Kirchdorf zusammen. Daher die Abkürzung KiRiKi. Für ihr Wirken im Rahmen der „Entwicklungszusammenarbeit“ wie es auf der entsprechenden Webseite heißt, sammeln die Mitglieder aus den drei Pfarreien Spenden oder organisieren Veranstaltungen. In drei Jahrzehnten kamen so 250.000 Euro an Projekt-Geldern zusammen. Zu den organisierten Veranstaltungen zählte bislang auch der „Negerball“ als alljährliche Faschingsparty. Wer dieses für einen verfrühten und schlechten Aprilscherz hält, liegt gänzlich falsch.

https://www.youtube.com/watch?v=Plc50y3Rwdk

Die entsprechende Veranstaltung verweist zwischenzeitlich gar auf eine jahrzehntelange Tradition. Zunächst taufte sich der Faschingsball „Jugend tanzt für Afrika“. Doch dies klang wohl irgendwann nicht mehr knackig genug, schließlich geht es um Spaß und Geld für den guten Zweck. Daher ließ man sich wohl in Weißbierlaune den Namen „Negerball“ einfallen. In Bayern stellt dieser Faschingsparty-Name der speziellen Art wohl gelungenes Elends-Marketing mit dem nötigen Schuss Lokalkolorit dar.

Man kann sich bildlich vorstellen, wie sich die Dorfjugend feixend dabei amüsiert, auf der entsprechenden Party die Sau raus zu lassen. Saufen für Afrika. Ist doch genial! Schließlich fließt der gesamte Erlös der Bar in die Entwicklungshilfe für Kenia, wie die entsprechende Facebook-Seite Interessierte informiert.

Zum ersten Mal warben die Veranstalter für den Ball nun auch auf Facebook. Dort stieß der ominöse Veranstaltungsname einer jungen Frau offensichtlich bitter auf, worauf eine Diskussion auf den Seiten des sozialen Netzwerks darüber entbrannte, ob der Veranstaltungsname rassistisch sei oder nicht. Schließlich löschte Facebook den Eintrag wegen des Verdachts des Rassismus. Wie so oft kamen bei der gesamten Debatte diejenigen die von Rassismus gegenüber Afrikanern betroffen sind gar nicht erst zu Wort.

Wofür auch mit den Menschen reden, die wohl am ehesten beurteilen können, was rassistisch ist oder nicht? Nein, die sind viel zu empfindlich und wittern überall Rassismus wo es gar keinen gibt. Sie sind also nicht neutral und objektiv genug. Nur wer reinen germanischen, oder eben bayerischen Blutes ist, besitzt den kühlen Sachverstand und dadurch die Deutungshoheit darüber wann und wo die Grenze zwischen Spaß und Rassismus überschritten wird.

Was ließen sich die gewieften Initiatoren also als Gegenmaßnahme gegen die Facebook-Sperrung einfallen? Sie änderten den Begriff leicht ab, so dass er nun „Negaball“ heißt. Ein störrisches und subtiles Aufbäumen gegen die vermeintlich überbordende politische Korrektheit und außerdem: Ein bisschen Spaß muss sein! Wer sich da beim schunkeln nicht einhaken mag, ist eben eine Spaßbremse und ein „dröger“ Weltverbesserer.

Die Symbiose aus Rassismus und „Hilfe“ lässt tief hinter die Fassade des zugrundeliegenden paternalistischen Systems und Denkens blicken. Dort „der weiße Mann“ der selbstlos Brunnen und Schulen finanziert, dort der hilfsbedürftige und infantile „schwarze Mann“, der in seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit verharrt. Da darf es, nein muss es quasi der „Negerball“ sein und nur so ist es zu erklären, dass sich die Dorf-Party ganz unverblümt Benefizveranstaltung schimpft. Wenn wir schon helfen, dann dürfen wir doch wenigstens selbstdefinierten Spaß dabei haben, ohne dass uns schon wieder irgendwelche Gutmenschen reinquatschen?

Das differenzierte Denken endet nun mal nicht selten dort, wo es an die eigene Haut geht. Selbstverständlich meinen es wohl die meisten Menschen gut, wenn sie sich für die Armen dieser Welt einsetzen, spenden oder ihre Freizeit opfern. Sich jedoch mit den tieferen wirtschaftlichen Strukturen der produzierten Armut und dem daraus resultierenden Sinn und Unsinn von „Entwicklungshilfe“ befassen? Viel zu gefährlich, dass eigene Weltbild und Selbstverständnis könnte ins Wanken geraten und mit ihm das erhabene Gefühl überlegen zu sein. Es wäre nicht mehr möglich, sich über die Würde genau der Menschen hinwegzusetzen, denen man doch helfen will.

Unter dem Deckmantel der hippen politischen Unkorrektheit lässt es sich bayerisch gemütlich einrichten. Aus der Reihe tanzen, wo es nicht angebracht ist, und ansonsten ohne Rückgrat in Reih und Glied stehen, das ist die Freiheit die man sich nicht nehmen lassen will.

Einer der zahlreichen Kommentare ähnlichen Inhalts auf der Facebook-Veranstaltungsseite bringt die ganze Groteske um den Titel der Veranstaltung und die Problematik hinter der oftmals gutgemeinten Hilfe des Einzelnen auf den folgenden Punkt: „Liebe Negerfreunde lasst Euch nicht von ein paar Möchtegern-Weltverbesserern Euer Fest vermiesen […] Drum lasst Euch kräftig feiern damit die kleinen Negerlein viel von Eurer Sause haben“.

von

Günter Schwarz – 21.02.2017