Toller Hirsch! – „Sven“ bei einer Rinderherde
(Flensburg) – Nein, da steht kein Pferd auf dem Flur – sondern ein Hirsch auf der Weide! Rothirsch „Sven“ hat sich nahe der dänischen Grenze bei Flensburg einer Herde von Galloways angeschlossen. Statt sich unter Artgenossen zu tummeln, kehrt er immer wieder zu den Rindern zurück – selbst zur Brunftzeit. Seit zwei Jahren tummelt sich Rothirsch Sven nahe Flensburg bei der Rinderherde. Jetzt rätseln Naturschützer, was ihn dazu treibt.
„Sven“ ist so etwas wie der Mogli unter den Hirschen. Nahe Flensburg lebt das Tier wie der Junge im Dschungelbuch in einer fremden Herde – und hat seinen Alltag an den von rund 60 Galloway-Rindern angepasst. „Was ihn genau treibt, wissen wir nicht“, sagt Gerd Kämmer vom Naturschutzverein Bunde Wischen, dem die ökologischen Rinder gehören. Gefüttert werde der Rothirsch nicht.
„Anfangs war er sehr scheu, man konnte ihn nur mit dem Fernglas auf große Entfernungen sehen, inzwischen kommt man auf bis zu 20 Meter an ihn ran“, sagt Kämmer über den Hirsch, über den zuvor lokale Medien berichtet hatten. „Die Galloways sind seine Herde.“ Der Hirsch hält sich seit rund zwei Jahren regelmäßig auf der Weide der Rinder auf.
Rückkehr zur Brunftzeit
Zunächst hatten die Mitglieder von Bunde Wischen geglaubt, „Sven“ mache nur mal Zwischenstopp bei den Rindern. In den vergangenen beiden Sommern war er auch jeweils für ein paar Wochen verschwunden. Doch ausgerechnet zur Brunftzeit kehrte er wieder zurück. Kämmer habe zunächst vermutet, dass „Sven“ von dannen zieht, auf der Suche nach Hirschkühen, doch gerade in dieser Zeit war er dauerhaft wieder da. „Er hält sich wohl inzwischen selbst für ein Rind“, sagt Kämmer laut dem „Flensburger Tageblatt“. Und er habe auch eine Lieblingskuh: die blonde Sarina.
„Sven“ sei vermutlich aus Dänemark eingewandert, sagt Kämmer. Rotwild sei in Sønderjylland nämlich eigentlich nicht mehr beheimatet. Doch da die Hirsche nördlich der Grenze wenig Platz und Nahrung finden, gibt es eine wachsende Einwanderung nach Schleswig-Holstein. Im Nachbarkreis Nordfriesland hatten die Jäger jüngst bereits geklagt, durch die skandinavischen Gäste wüchsen die Schäden in den Wäldern. „Die nahrhafte Rinde junger Bäume gilt den Tieren als Delikatesse und wird gern abgeschält“, teilte Ende November die Kreisverwaltung in Niebüll mit.
„Sven“ ist tagaktiv
Ob Sven je wieder in einem Rotwild-Rudel heimisch wird, ist dehr fraglich, denn er futtert mit ihnen in den Wäldern – und interessiert sich sogar für die artfremde Brunft. Anders als seine eingewanderten Artgenossen, die laut Kämmer wegen der Menschen inzwischen vor allem nachts in den Wäldern knabberten, sei „Sven“ wieder tagaktiv. Und selbst von der Silvester-Knallerei zum Jahreswechsel in der Umgebung ließ er sich nicht von „seiner Herde“ trennen.
Dass Rinder anderen Arten gegenüber durchaus aufgeschlossen sind und Einzelgänger auch mal in ihre Herden aufnehmen, zeigt auch die Geschichte eines jungen Wildschweins, das sich 2015 einer Rinderherde anschloss. Der Fall ereignete sich ebenfalls in Schleswig-Holstein.
von
Günter Schwarz – 26.02.2017