Nach dem 15. März – Mitregieren der niederländischen Rechten ausgeschlossen
Am 15. März wählen die Niederländer ihr neues Parlament. Die Wahl wird über die Grenzen des Landes hinaus genau beobachtet. Das hat vor allem mit Geert Wilders zu tun, denn für Geert Wilders ist der erste Platz noch immer in greifbarer Nähe. So gut wie ausgeschlossen ist hingegen, dass Wilders ein solcher Sieg in die Regierung bringt. Das liegt nicht nur am kategorischen Nein, mit dem alle relevanten Parteien eine Koalition mit seiner Partei für die Freiheit (PVV) bedenken. Auch Wilders selbst scheint sich an den Eskalationsschrauben wohler zu fühlen als am politischen Steuerrad.
In den vergangenen Jahren trieb der Rechtspopulist mit Aktionismus und Grenzüberschreitungen die politische Debatte in den Niederlanden vor sich her. Dass er dafür politisch isoliert wurde, kam ihm durchaus gelegen – bis jetzt zumindest.
Wer Wilders in persona erleben möchte, wird es in den kommenden Wochen schwer haben. Diese Woche teilte der Politiker mit, vorerst keine Wahlkampfauftritte mehr abzuhalten. Der offizielle Grund: Sorge um seine Sicherheit. Ein Sicherheitsbeamter marokkanischer Abstammung steht unter Verdacht, Informationen über Wilders an eine kriminelle Organisation weitergegeben zu haben. Für den umstrittenen Politiker, der ohnehin rund um die Uhr unter Polizeischutz steht, Grund genug, auch seine Auftritte bei den kommenden großen TV-Debatten abzusagen.
Trump der Niederlande
Wilders’ Auftritte hielten sich bereits zuvor in engen Grenzen. Auch Interviews gibt er so gut wie nie. Der Politiker ähnelt nicht nur in seiner Frisur dem neuen US-Präsidenten Donald Trump. Wie dieser kommuniziert auch Wilders am liebsten über den Kurznachrichtendienst Twitter.
Nicht immer bauen seine Postings auf Fakten auf. Erst Anfang Februar teilte er ein Foto, auf dem Alexander Pechtold, Parteichef der linksliberalen Partei D66, inmitten von militanten Islamisten zu sehen ist. Das Bild ist ein Fälschung, Pechtolds Kopf ganz offensichtlich in das Bild hineinretuschiert. Die Aufregung war groß und Wilders augenscheinlich zufrieden. „Ein Tweet. 180 (!) Zeichen und ein altes Nepp-Foto von 2009“, schrieb er auf Twitter und führte im Anschluss eine Liste aller Medien an, die über das Post berichteten.
„Null Prozent, Geert. NULL Prozent“
Fast 774.000 Follower hat der Rechtspopulist mit seinen Tausenden Tweets bisher gesammelt. Will er seinen Anhängern wie auch seinen Gegnern etwas sagen, benutzt er dafür 140 Zeichen. Diese Kommunikation wird ihm von seinen Kritikern gerne vorgeworfen. Was nicht bedeutet, dass sie es ihm nicht nachmachen.
Der private Twitter-Account des niederländischen Premiers Mark Rutte ist ein ruhiger Ort. Sechs Jahre lang standen dort genau zwei Meldungen: Verweise auf Ruttes Twitter-Profil als Premier und das seiner Partei – die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD). Mitte Februar war es mit der Stille aber erst einmal vorbei.

Isoliert von allen Seiten
Ruttes Nein war die letzte in einer Reihe von Absagen aus der niederländischen Politik. So gut wie alle etablierten Parteien haben einer möglichen Koalition mit Wilders bereits eine Absage erteilt. Nach außen gibt sich der Rechtspopulist über diese Frontstellung empört. „Zwei Millionen Wähler werden von vornherein ausgeschlossen“, sagte er erst unlängst in einem seiner seltenen Fernsehinterviews. Zugleich zelebrierte Wilders aber genau diese Ablehnung – und versuchte auch gar nicht, sie aufzuweichen.
Ruttes VVD hatte bis zum kategorischen Twitter-Nein des Premiers die Tür in Richtung Wilders zumindest einen Spalt offen gehalten. VVD-Gesundheitsministerin Edith Schippers hatte noch vor einem Jahr in einem Interview mit „de Volkskrant“ gemeint, in einer Demokratie dürfe niemand von vornherein ausgeschlossenen werden. Rutte selbst nannte in der Vergangenheit zumindest eine Bedingungen für eine Zusammenarbeit mit der PVV: Wilders sollte sich von seinen Aussagen aus dem Jahr 2014 distanzieren.
Prozess zelebriert
Der Politiker hatte damals bei einem Wahlkampfauftritt vor jubelnden Anhängern in Den Haag gefragt: „Wollt ihr weniger oder mehr Marokkaner in eurer Stadt und in den Niederlanden?“ Die Menge antwortete mit „Weniger“-Rufen, woraufhin Wilders ankündigte: „Wir werden uns darum kümmern.“ Eine Distanzierung Wilders’ blieb aus. Vielmehr zelebrierte der Politiker den in der Folge gegen ihn wegen Diskriminierung und Beleidigung angestrengten Prozess. Offensichtlich mit Erfolg: Nach Beginn des Gerichtsverfahrens stieg Wilders’ Partei in den Umfragen zur stärksten politischen Kraft auf.
Einfluss ohne Verantwortung
Viele Politologen sind der Meinung, dass Wilders ohnehin keine Regierungsbeteiligung anstrebe. Auch der Niederlande-Experte Andre Krause vom Zentrum für Niederlande-Studien an der Universität Münster teilt diese Meinung. Wilders habe eine „bequeme Position in der Opposition“, sagte der Politikwissenschaftler. Wilders müsse keine Verantwortung übernehmen und könne dennoch die Politik beeinflussen.

Premier Rutte präsentiert sich Wilders’ Wählern als gemäßigtere Alternative
Wahlprogramm „De-Islamisierung“
Wilders drehte mit seinen Forderungen unterdessen weiter an der Eskalationsschraube. Vergangenen Herbst veröffentlichte er – per Twitter – das Parteiprogramm der PVV. Das ist zwar nur eine A4-Seite lang, bescherte Wilders aber dennoch jede Menge Aufmerksamkeit. Die darin enthaltene Forderung nach einem Austritt der Niederlande aus der EU erscheint im Vergleich mit anderen Punkten noch als gemäßigt.

Wilders hat ein zentrales Thema: Kampf dem Islam
Einmannpartei ohne Personal
In wirtschaftlichen Fragen hat Wilders – der seine Karriere bei der wirtschaftsliberalen VVD begann – längst auch Positionen links der Mitte entdeckt. Die Koalition aus VVD und der sozialdemokratischen Partei für die Arbeit (PvdA) verfolgte in den vergangenen Jahren einen harten Sparkurs. Den Sozialdemokraten droht dafür im März eine Abstrafung durch die Wähler. Wilders verspricht dagegen eine ganze Reihe an neuen Sozialleistungen – allerdings nur für Niederländer.
Mit seinen Plänen würde Wilders kaum in einer Koalition durchkommen. Darüber hinaus fehlt ihm aber auch schlicht das Personal für eine mögliche Regierungsbeteiligung. Wilders habe zwar „einen sehr engen Kreis an Vertrauten“, aber das „sind nicht unbedingt Personen, die man in Ministerien sieht“, sagt Krause. „Wilders hat keine Leute, die Erfahrung haben.“ Die PVV ist mehr oder weniger eine Einmannshow. Die Partei hat genau ein Mitglied: Wilders. Entscheidungen trifft der Politiker weitestgehend allein. Beobachter attestieren ihm einen regelrechten Kontrollzwang.
Wochenlanger Sinkflug
In den vergangenen Jahren hat all das für Wilders perfekt funktioniert. Doch in den vergangenen Wochen scheint sich das Blatt zu wenden. Mancher sieht Wilders’ Stern kurz vor der Wahl gar im Sinken. Seit Mitte Dezember verliert die PVV in den Umfragen langsam, aber stetig an Zuspruch. Die bis zu 23 Prozent im Dezember sind in den jüngsten Vorwahlbefragungen auf rund 17 Prozent zusammengeschrumpft. Die PVV liegt nur noch einen Prozentpunkt vor der VVD.
Womöglich fällt genau das, wovon Wilders bisher profitiert hat, nun auf ihn zurück. Meinungsforscher führen die jüngsten Verluste für Wilders darauf zurück, dass viele Wähler eine Stimme für Wilders als eine verlorene sehen. Dazu komme womöglich auch das „Desaster“, das US-Präsident Trump in seinem ersten Regierungsmonat veranstaltet habe, sagt Politologe Krause. Wilders gehört in Europa zu den entscheidendsten Befürwortern des Republikaners.
Eine tatsächliche Vorhersage für die Wahl zu treffen ist laut Krause aber sehr schwierig. „Die Wähler in den Niederlanden sind unglaublich unberechenbar“, sagt der Politologe. Und gerade Wilders’ Wähler würden in Umfragen oft gar nicht auftauchen. Wie viele er mit seiner Kommunikation aus dem Abseits tatsächlich zum Urnengang motivieren kann, wird sich am 15. März zeigen.
von
Günter Schwarz – 27.02.2017