Trauma-Behandlung von IS-Opfer dank Baden-Württemberg
Tausende Jesidinnen im Nordirak sind wieder in Freiheit und leiden unter schweren Traumata. Baden-Württemberg finanziert und organisiert darum ein neues Trauma-Institut, in dem den IS-Opfern von eigens ausgebildeten, einheimischen Traumatologen geholfen werden soll.
Die meisten Bewohner der Dörfer im Nordirak, dieser uralten monotheistischen Religion mit Elementen aus westiranischen, altmesopotamischen Religionen sowie aus Judentum, Christentum und Islam, deren Wurzeln bis zu 4.000 Jahren zurückreichen, die von Terroristen des „Islamischen Staats“ (IS) überfallen wurden, sind gefoltert oder vergewaltigt worden. Und selbst diejenigen, die schließlich in die sicheren Gebiete bei Dohuk flüchten konnten, drohten in einem der riesigen Flüchtlingslager zu verelenden.
Die Versorgungslage sei katastrophal, sagt der Traumatologe Prof. Dr. Jan Ilhan Kizilhan. „Die Stadt hat rund 400.000 Einwohner. Hinzu kommen nochmals bis zu 800.000 Flüchtlinge. Und wir haben nur eine einzige Psychotherapeutin im Gesundheitsdirektorat“, so Kizilhan, „wir müssen im Gesundheitssystem des Iraks und Syriens Dinge entwickeln, damit die Leute vor Ort selber Therapien anbieten können.“
Kizilhan ist international anerkannter Experte für transkulturelle Psychiatrie und Traumatologie. Der Professor an einer Hochschule in Baden-Württemberg hat 2015 in einem ersten Schritt über 1.000 IS-Opfer für die Behandlung nach Deutschland geholt.
Ziel sind Therapien vor Ort
Initiator der Aktion war Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Politiker Der Grünen fand, man müsse etwas tun gegen diese Gewalt. Doch Kizilhan weiß, dass es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. „Wir können nicht die Millionen von Menschen nach Deutschland holen und sie hier behandeln. Wir müssen also im Gesundheitssystem des Iraks und Syriens Dinge entwickeln, damit die Leute vor Ort selber die Therapien ermöglichen können.“
Nun hat er diese Idee umgesetzt. „Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie“ heißt die Abteilung, die an der Universität im nordirakischen Dohuk eröffnet wird. 19 Frauen und 11 Männer aus der Region absolvieren hier einen dreijährigen Lehrgang.
Sie alle haben bereits einen Bachelor-Abschluss in Psychologie, Sozialarbeit oder Psychiatrie. „Es ist ein Master-Studiengang. Sie werden nach deutschen Kriterien zu psychologischen Psychotherapeuten ausgebildet. Und sie sollen später auch Ausbilder werden, damit sie das Institut weiterführen können“, sagt Kizilhan.
Tausende gefoltert und versklavt
Den Lehrplan, der sich aus Theorie- und Praxisblöcken zusammensetzt, hat die Universität Tübingen erarbeitet. Die Dozentinnen und Dozenten werden aus ganz Europa eingeflogen. Und wie schon im Vorzeigeprojekt mit den über 1.000 IS-Opfern, die nach Deutschland geholt wurden, bezahlt wieder das Bundesland Baden-Württemberg. Eine Million Euro ist der Lehrgang der Regierung Kretschman wert. Die Hilfe ist dringend nötig.
Gegen 7.000 Menschen, vor allem Männer der religiösen Minderheit der Jesiden, sind vom IS ermordet worden. Oft im Beisein ihrer Angehörigen. Von den rund 6.000 Frauen und Kindern, die von der Terrormiliz gefangengenommen und versklavt wurden, sind erst etwa 2.400 wieder freigekommen. Sie hätten so Schlimmes erlebt, sagt Professor Kizilhan, dass viele gar nicht weiterleben wollen. Ohne Traumabehandlung, weiß Kizilhan, werden viele kein lebenswertes Leben mehr führen können.

Günter Schwarz – 02.03.2017