(Genf) – Während ihrer abschließenden Pressekonferenz kritisierten die UN-Experten der Menschenrechtskommission insbesondere wachsenden Rassismus und Diskriminierung gegenüber Menschen afrikanischer Abstammung in Deutschland. Besonderes Augenmerk legten sie auf das Thema Racial Profiling. Dieses sei eine rassistische Maßnahme, die in Deutschland in bestimmten Gebieten verbreitet sei.

Während ihres einwöchigen Aufenthalts in Deutschland besuchte die UN-Arbeitsgruppe deutsche Großstädte wie Frankfurt, Köln, Dresden, Hamburg und Berlin, um die Menschenrechtssituation der Menschen afrikanischer Abstammung zu untersuchen. Auf ihrer Reise tauschten sich die UN-Experten mit Behörden, Polizei, föderalen sowie staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen aus. Die Ergebnisse der Recherche zeichnen dabei ein ernüchterndes Bild der Menschenrechtslage schwarzer Menschen in Deutschland.

Den Informationen der UN-Experten nach, leben in Deutschland etwa eine Million Menschen afrikanischer Abstammung oder Herkunft. Dies entspricht etwas mehr als einem Prozent der Bevölkerung. Nach Ansicht der Experten wurde diese Minderheit bisher nicht als relevante und von Diskriminierung und Intoleranz betroffene Bevölkerungsgruppe wahrgenommen, auf die ein besonderes Augenmerk auch bei Präventionsmaßnahmen zu richten wäre.

Der Leiter der Arbeitsgruppe, Ricardo Sunga, kritisierte dabei, dass schwarze Menschen in Deutschland nicht als besondere Minderheit anerkannt sein und gesellschaftlich übergangen würden. „Schwarze Menschen bleiben in Deutschland unsichtbar“, so Sunga.

Dies gelte jedoch nicht, wenn es um Rassismus und Diskriminierung gehe. Den Rassismus beschreiben die UN-Beauftragten als strukturell, da Schwarze etwa in Schule, Beruf oder bei der Wohnungssuche Stereotypen, Angriffen und Zurückweisung ausgesetzt sein. Auch innerhalb staatlicher Institutionen und den Strafvollzugsorganen machen die UN-Experten strukturellen Rassismus aus. Sie weisen ebenfalls darauf hin, dass Schwarze in Deutschland Opfer von rassistischer Gewalt und Hassverbrechen sind, und diese Gewalt auch im Zuge der Flüchtlingsdebatte und wachsender Islamophobie angestiegen sei.

Deutschlands koloniale Vergangenheit und auch der Genozid an den Herero und Nama im heutigen Namibia, sowie die Sterilisation, Kastration und Ermordung Schwarzer während der nationalsozialistischen Diktatur, werden demnach nicht angemessen aufgearbeitet. Als rassistisch und beleidigend identifiziert die Arbeitsgruppen ebenfalls Straßennamen wie etwa den der „Mohrenstraße“ in Berlin. Es werden ebenso Straßennamen kritisiert, die nach wie vor Persönlichkeiten glorifizieren, die eine Schlüsselrolle bei der Kolonisierung und Versklavung schwarzer Menschen spielten.

Die Experten heben dabei die Umbenennung einer Berliner Straße in May-Ayim-Ufer als positives Beispiel eines wachsenden Bewusstseins für die entsprechende Thematik hervor. Bei Ayim handelte es sich um eine 1960 in Hamburg geborene afro-deutsche Dichterin, Schriftstellerin und Aktivistin, die sich im Jahr 1996 in Berlin das Leben nahm.

Aufgrund ihrer Recherchen kommt die UN-Arbeitsgruppe ebenfalls zu dem Schluss, dass Racial Profiling, also die Fahndung aufgrund der äußerlich wahrgenommenen Zugehörigkeit zu bestimmten Bevölkerungsgruppen, in Deutschland endemisch sei. Dies betreffe auch Menschen afrikanischer Abstammung. Tagtäglich käme es zu Konfrontationen zwischen der Staatsgewalt und Schwarzen. Dabei sei die Gefahr, inhaftiert zu werden, unverhältnismäßig groß. Die Experten kritisieren dabei insbesondere, sowohl die Weigerung, Racial Profiling als Tatsache in Deutschland anzuerkennen, als auch das Fehlen von Beschwerdemöglichkeiten bei rassistischen Vorfällen im Allgemeinen.

Zur Sprache kam auch der Fall des Sierra-Leoners Oury Jalloh, der im Jahr 2005 in seiner Gefängniszelle im Polizeirevier Dessau in Sachsen-Anhalt verbrannte. Bis heute wird von den involvierten Behörden und Institutionen die These eines Selbstmords aufrechterhalten. Die UN-Arbeitsgruppe verweist im entsprechenden Fall nicht nur auf mögliche rassistische Motive bei Jallohs Festnahme und Behandlung in Gewahrsam, sondern auch auf eine bis heute lückenhafte Aufklärung der Todesumstände.

Nach Ansicht von Sunga geht die Expertengruppe davon aus, dass institutioneller Rassismus und rassistische Stereotype durch die Strafvollzugsbehörden dazu führten, dass der Fall Oury Jalloh nicht „effektiv“ aufgearbeitet wurde und diese ebenfalls der Grund waren, warum Verdächtige bis heute nicht strafrechtlich verfolgt wurden. Die UN-Delegierten äußerten ebenfalls ihre Besorgnis über Schikane gegenüber Menschenrechtsgruppen, die sich für eine lückenlose Aufarbeitung des Falls einsetzen.

Bei ihrer Kritik begrüßt die UN-Arbeitsgruppe jedoch die Absicht der staatlichen Institutionen, auch Diskriminierung zu bekämpfen die von Menschen afrikanischer Abstammung erfahren wird. Insgesamt sei das Bewusstsein für Rassismus gegenüber schwarzen Menschen in Deutschland vor allem aufgrund aktiver zivilgesellschaftlicher Gruppen angewachsen.

von

Günter Schwarz – 02.03.2017