Mehrere deutsche Städte sperren Säle für Erdoğans Minister
(Gaggenau) – Keine Werbung für Erdoğan Verfassungsreform: Nach den Auftrittsabsagen bestellt Ankara den deutschen Botschafter in der Türkei ein. Die Kleinstadt Gaggenau bei Baden-Baden mit ihren rund 29.000 Einwohnern hat gestern Abend einen Auftritt des türkischen Justizministers in ihrer Festhalle gestoppt, da sie sich mit der Organisation der Veranstaltung und der Sicherheit der Besucher in der Festhalle überfordert sah, wie der Bürgermeister Michael Pfeiffer sagte.
Der türkische Justizminister Bozdag, der in der Festhalle zu wahlberechtigten türkischen Landsleuten hatte sprechen wollen, sagte daraufhin aus Protest einen Besuch bei seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas ab. Auch in Köln soll der Saal, in welchem der türkische Wirtschaftsminister am Sonntag auftreten wollte, gesperrt werden. Die beiden Minister wollten vor Landsleuten für die Verfassungsreform von Präsident Erdoğan werben. Deutsche Politiker aus verschiedensten Parteien kritisierten dies.Die Reaktion aus Ankara erfolgte prompt: Das türkische Außenministerium bestellt den deutschen Botschafter in Ankara ein.
Nach dem Streit um die Inhaftierung des „Welt“-Korrespondeten Deniz Yücel in der Türkei wird dem Wahlkampf türkischer Minister in Deutschland nun ein Stoppsignal gesetzt. Die deutsche Stadt Gaggenau hat einen für Donnerstagabend geplanten Auftritt des türkischen Justizministers in einer Festhalle untersagt. Köln will einen für den Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers am Sonntag vorgesehenen Saal ebenfalls sperren.
Die Stadt Gaggenau begründete ihre Entscheidung damit, dass Halle, Parkplätze und Zufahrten für den erwarteten Besucherandrang nicht ausreichten. Sie widerrief deshalb die Zulassung einer Veranstaltung der dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nahestehenden Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD).
Treffen mit Amtskollege Maas abgesagt
Aus Protest gegen die Verhinderung seines Auftritts in Deutschland sagte der türkische Justizminister Bekir Bozdag ein geplantes Treffen mit dem deutschen Justizminister Heiko Maas ab. Er werde stattdessen direkt in die Türkei zurückkehren, sagte Bozdag bei einem Besuch in Straßburg.
In Köln hatte nach Angaben der Stadt die UETD eine vor Monaten unverbindlich angekündigte „Theaterveranstaltung“ kurzfristig zu einer „Informationsveranstaltung“ mit dem türkischen Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi umwidmen wollen. Nach Angaben aus der türkischen Regierungspartei AKP soll die Veranstaltung nun in einem anderen Saal in Köln stattfinden.
Abstimmung Mitte April
Über die Verfassungsreform, die Kompetenzen Erdoğans massiv ausweiten soll, wird Mitte April in der Türkei in einem Referendum abgestimmt, für das auch in Deutschland lebende Türken wahlberechtigt sind.
Vor knapp zwei Wochen hatte bereits der türkische Ministerpräsident Binali Yilderim vor rund 10.000 Erdoğan-Anhängern in Oberhausen für das Vorhaben geworben. Die Proteste gegen solche Auftritte in Deutschland wurden zuletzt durch die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei verschärft.
Kritik an „türkischer Staatspropaganda“
Parteiübergreifend hatte es noch vor der Entscheidung der Stadt Gaggenau Aufrufe gegeben, weitere Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder zu verhindern. Notfalls müssten solche Versammlungen durch die Sicherheitsbehörden aufgelöst werden, sagte der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl der „Bild“-Zeitung (Freitagsausgabe). Er sprach mit Blick auf die Verfassungsreform von einem „Ermächtigungsgesetz“ und spielte damit auf die Machtergreifung der Nationalsozialisten an.
Auch Linken-Parteichef Bernd Riexinger rief in Berlin dazu auf, dafür zu sorgen, „dass die nächste Werbeshow für Erdoğan nicht stattfindet“. Gegen „systematische türkische Staatspropaganda auf deutschem Boden“ wandte sich in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland FDP-Chef Christian Lindner. Er rief die Bundesregierung auf, dem Einhalt zu gebieten. Einreiseverbote für Erdoğan und seine Minister verlangte FDP-Vize Wolfgang Kubicki in Berlin.
Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland distanzierte sich von den Wahlkampfaktionen. Deren Vorsitzender Gökay Sofuoglu warnte im SWR vor einer weiteren Polarisierung der türkischen Gemeinschaft in Deutschland. Zwar sei gegen politische Versammlungen nichts einzuwenden, aber „im Namen der Rechtsstaatlichkeit“.
von
Günter Schwarz – 03.03.2017