Recep Tayyip Erdoğan tönt, wenn er wolle, könne er für einen Auftritt nach Deutschland kommen, um für seine umstrittene Verfassungsreform zu werben. Nichts könne ihn aufhalten. Doch darin irrt der „Herr“ Erdoğan. Die Bundesregierung hat durch das Völkerrecht und politisches Ermessen durchaus eine juristische Möglichkeit, Erdoğan an einem Auftritt zu hindern.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine Minister verkünden lauthals, wie es erst gestern Abend von dem Balkon des türkischen Generalkonsulats aus durch den türkischen Außenminister Cavusoglu geschehen, niemand könne sie darin hindern, in Deutschland für ein „Ja“ beim türkischen Verfassungsreferendum zu werben.

Bevor „Herr“ Erdoğan und seine Vasallen aus seiner Ministerriege so lauthals tönen, sollten sie lieber einen der von ihnen inhaftierten Juristen zumindest kurzzeitig aus der Haftanstalt holen und ihn befragen, wie es rein rechtlich aussieht, in Deutschland öffentlich Werbung für ein totalitäres und autokratisch regiertes Regime zu machen. – Ihre noch auf freiem Fuß befindlichen Juristen können sie nämlich vergessen, denn die reden ihnen ohnehin nach dem Mund, um nicht selbst Gefahr zu laufen, verhaftet zu werden. – Dann werden diese „Herren“ gesagt bekommen, aus Sicht des Völkerrechts liegen sie damit völlig falsch. Denn danach müssen sie für solche Auftritte die Erlaubnis der Bundesregierung einholen. Tun sie das nicht, verletzen sie die Territorialhoheit und damit die Souveränität Deutschlands!

Erdoğan und seine Vertrauten können diese Erlaubnispflicht auch nicht umgehen, indem sie behaupten, in Deutschland als Privatpersonen Wahlkampf zu machen. Das Verfassungsreferendum wurde nämlich von der Regierung Erdoğan initiiert – und es wird von ihr massiv beworben. Somit ist die Regierung im Wahlkampf Partei. „Das legt die Vermutung nahe, dass die türkischen Regierungsmitglieder in Deutschland nicht als Privatpersonen auftreten“, sagt der Völkerrechtsprofessor Georg Nolte von der Humboldt-Universität Berlin. „Nach allgemeinem Völkerrecht müsste Präsident Erdoğan daher die Zustimmung der Bundesregierung einholen.“

Ähnlich sieht das der Augsburger Völkerrechtsprofessor Christoph Vedder, der argumentiert: „Wahlkampfauftritte von Regierungsmitgliedern sind eine Ausübung von Hoheitsrechten auf dem Territorium eines anderen Staates und verletzen dessen Territorialhoheit. Daher bedürfen sie der Genehmigung des Staates, auf dessen Territorium sie stattfinden sollen.“

Auftrittsverbote für ausländische Regierungsvertreter sind nicht neu

Wenn Erdoğan oder seine Minister also in Deutschland auftreten wollen, müssten sie zuerst in Berlin um Erlaubnis bitten. Die Bundesregierung hat dann ein weites politisches Ermessen, ob sie diese Erlaubnis erteilt. Dabei muss sie allerdings die Grundrechte beachten, zum Beispiel die Meinungsfreiheit. Grundrechte sind jedoch primär Rechte der Bürger gegenüber dem Staat. „Regierungsvertretern stehen sie daher prinzipiell nicht zu“, sagt Nolte. Vedder meint, es gehe in dem Streit also nicht um individuelle Grund- oder Menschenrechte. Auf der Ebene der Menschenrechte würde im übrigen Artikel 16 der Europäischen Menschenrechtskonvention eingreifen. Danach kann „die politische Tätigkeit ausländischer Personen“ beschränkt werden.

Auftrittsverbote für ausländische Regierungsvertreter sind auch nicht neu. So untersagte es 2016 das Oberverwaltungsgericht Münster, dass Erdoğan per Video bei einer Demonstration in Köln zugeschaltet wurde. Die Richter urteilten, es sei allein Sache der Bundesrepublik zu entscheiden, ob sich ausländische Politiker auf öffentlichen Versammlungen im Bundesgebiet als Hoheitsträger amtlich zu politischen Fragestellungen äußern dürfen.

Die Entscheidung, ob Erdoğan und seine Vertrauten in Deutschland auftreten können, müsste also nicht allein Gemeinden wie Gaggenau überlassen bleiben. Die Bundesregierung könnte eine politische Entscheidung fällen – dafür oder dagegen.

von

Günter Schwarz – 08.03.2017