Am morgigen 15. März wählen die Niederlande ein neues Parlament. Das Wahlrecht begünstigt kleinere, alternative Parteien und eine zersplitterte Parteienlandschaft. Lange Zeit lag die rechtsradikale und populistische PVV von Geert Wilders in Umfragen vorne. VVD und CDA konnten jüngst aber aufschließen.

Wer in diesen Tagen an die Niederlande denkt, denkt vor allem auch an die Türkei. Die politischen und diplomatischen Scharmützel überlagern den niederländischen Wahlkampf. Ob die Reibereien zwischen den Nato-Partnern eher dem amtierenden Ministerpräsidenten Mark Rutte oder dessen größtem Widersacher Geert Wilders nützen werden, ist noch unklar. Die beiden Politiker treten heute Abend zu einer TV-Debatte an. RT gibt einen Überblick über die wichtigsten Fragen zu den Wahlen in den Niederlanden:

Worum geht es am 15. März?

Bei der am 15. März stattfindenden Wahl handelt es sich um eine Parlamentswahl. Es geht darum, die Zweite Kammer des Parlaments neu zu besetzen. Die aktuelle Regierung in den Niederlanden setzt sich aus einer Koalition zusammen zwischen der rechtsliberalen Volkspartei VVD, angeführt vom amtierenden Premierminister Mark Rutte, und der sozialdemokratischen Arbeitspartei PvdA. Diese Koalition stellt 75 der insgesamt 150 Sitze im Parlament.

Wie funktioniert das niederländische Parlament?

Das niederländische Parlament mit Sitz in Den Haag besteht aus einem Unterhaus, dessen 150 Mitglieder in einer unmittelbaren und allgemeinen Direktwahl für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt werden. Im Gegensatz etwa zu der Bundesrepublik Deutschland ist in den Niederlanden nicht die Erst-, sondern die Zweitstimme für die Kräfteverhältnisse der Parteien im Parlament entscheidend. Die erste Kammer des Parlaments, auch Senat genannt, besteht aus 75 Mitgliedern, die in einer allgemeinen, indirekten Wahl bestimmt werden. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die von der Zweiten Kammer bearbeiteten Gesetzesentwürfe noch einmal auf technische Qualität und Ausführbarkeit zu prüfen.

Was ist eine konstitutionelle Monarchie?

Die Niederlande sind – wie zum Beispiel auch Großbritannien, Schweden und Spanien – eine konstitutionelle Monarchie. Das offizielle Staatsoberhaupt der Niederlande ist König Willem-Alexander. Das bedeutet, dass er jedes vom Parlament verabschiedete Gesetz mitunterzeichnen muss. Nach den Wahlen oder einer Regierungskrise ernennt der König eine Regierung. Grundlage dafür bilden erfolgreiche Koalitionsverhandlungen der im Parlament vertretenen Parteien.

Was wartet auf den Sieger der Wahlen?

Die größte Herausforderung nach den Wahlen wird darin bestehen, eine im Parlament mehrheitsfähige Koalition zu bilden. So möchte zum Beispiel zum aktuellen Zeitpunkt niemand mit der PVV von Geert Wilders koalieren. Das könnte einer möglichen Regierungsbeteiligung von Wilders einen Riegel vorschieben – obwohl seine Partei eventuell die meisten Stimmen holen könnte.

Für die aktuell regierende Koalition zwischen der Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) und der Partei der Arbeit (PvdA) könnte es herbe Verluste geben. Vor allem die PvdA läuft Gefahr, für die harte Sparpolitik sowie für die seit 2013 zwar gesunkene, aber dennoch hohe Arbeitslosigkeit abgestraft zu werden. Umfragen jüngeren Datums sahen sie zeitweilig bei nur sieben Prozent, was de facto der Bedeutungslosigkeit gleichkommt.

Wer tritt alles an?

Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD)
Spitzenkandidat: Mark Rutte, Ministerpräsident seit 2010
Profil: Mitte-Rechts, rechtsliberal
Schwerpunkte: Sicherheit, Arbeit, Unternehmer, Steuersenkungen, Unterstützung von Existenzgründern, härtere Bestrafung von Straftätern, Stärkung der Nato.

Partei der Arbeit (PvdA)
Spitzenkandidat: Lodewijk Asscher, Vizepremier
Profil: Sozialdemokratisch, Mitte-Links
Schwerpunkte: Starke und soziale Niederlande, Arbeit, bezahlbare Pflege, gesichertes Einkommen für alle.

Sozialistische Partei (SP)
Spitzenkandidat: Emile Roemer
Profil: Weit links
Schwerpunkte: Niederlande sollen menschlicher und sozialer werden, Verbesserung der Pflege, Wertschätzung der Arbeit, Abbau von Bürokratie.

Christlich-Demokratischer Appell (CDA)
Spitzenkandidat: Sybrand Van Haersma Buma
Profil: Mitte, Christdemokraten, vorwiegend aus der katholischen Wählerschaft
Schwerpunkte: Gemeinschaftliche Werte und Normen, Bibel als Inspirationsquelle, öffentliche Gerechtigkeit, Verantwortung und Solidarität.

Partei der Freiheit (PVV)
Spitzenkandidat: Geert Wilders
Profil: Eine Mischung aus Anti-Islam-Populismus, linksliberalen Ideen und Nationalismus.
Schwerpunkte: Austritt der Niederlande aus der EU, Einreiseverbot für Muslime, Ausbau des Wohlfahrtsstaates, niedrige Mieten, besserer Schutz für Homosexuelle.

Demokraten 66 (D66)
Spitzenkandidat: Alexander Pechtold
Profil: Linksliberal
Schwerpunkte: Bildung einer nachhaltigen und solidarischen Gesellschaft, Freiheit der Menschen, auch im Internet, soziale Aspekte.

GrünLinks (GL)
Spitzenkandidat: Jesse Klaver
Profil: Grün, linksliberal
Schwerpunkte: Ökologie, gerechte Verteilung der natürlichen Ressourcen, gerechte Einkommen, pluralistische Gesellschaft

Von den 28 Parteien, die antreten, können sich nach aktuellen Zahlen 13 Chancen auf Mandate ausrechnen.
Zu den großen Fragezeichen gehört beispielsweise, inwieweit die Einwandererpartei DENK, die von ehemaligen Abgeordneten der Sozialdemokraten gegründet wurde, von der jüngsten diplomatischen Eskalation zwischen den Niederlanden und der Türkei profitieren kann.

Bislang sagen die Auguren der Partei voraus, dass sie ihre beiden Mandate, die sie durch Austritte aus der PvdA-Austritte erlangt hatte, halten kann. DENK zielt mit einem stark islamistischen Profil vor allem auf Erdoğan -treue türkische Einwanderer und auf arabische Neubürger.

Weitere Besonderheiten des niederländischen Parteienspektrums stellen die Rentnerpartei 50plus dar, die mit Mandatsgewinnen rechnen kann, ebenso wie die Tierschutzpartei, die derzeit zwei Sitze innehat.

Stabil dürften auch die so genannten Schwarzstrümpfe oder „Polder-Taliban“ bleiben. Bei ihnen handelt es sich um die streng calvinistischen Parteien der ChristenUnie und der Staatkundig Gereformeerde Partij (SGP), die ihre Hochburgen im niederländischen Bibelgürtel von Zeeland bis in die nordwestliche Provinz Overijssels haben. Die CU kommt derzeit auf fünf Sitze in der Zweiten Kammer. Die SGP, die vor Gericht um ihr Recht kämpft, aus Prinzip keine Frauen auf ihre Wahllisten setzen zu müssen, hat drei Sitze inne.

Chancen auf bis zu zwei Mandate hat auch das rechtskonservative Forum für Demokratie (FvD) des euroskeptischen Journalisten Thierry Baudet.

Was sagen die letzten Umfragen?

Die Parlamentswahlen sind schon morgen. In den letzten Umfragen hat die rechtsliberale VVD von Ministerpräsident Mark Rutte die PVV des Rechtskonservativen Geert Wilders auf Platz zwei verdrängt. Die VVD würde nach einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage des Instituts Maurice de Hond 24 von 150 Parlamentssitzen erhalten, die PVV 22. Zuvor hatte die PVV von Wilders, mit der keine der anderen Parteien koalieren möchte, meist vorne gelegen.

Laut einer Auswertung von sechs Umfragen durch das Institut Peilingwijzer wollen rund 16 Prozent der Wähler der Regierungspartei VVD ihre Stimme geben. Damit käme die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten auf 23 bis 27 Mandate. Die Wilders-Partei lag demnach zuletzt nur noch bei 13 Prozent und 19 bis 23 Sitzen. Die christdemokratische CDA zieht in der Umfrage von Maurice de Hond mit der PVV gleich und kommt ebenfalls auf 22 Mandate.

Zu den stärkeren Parteien dürften laut den Umfragen auch die sozialliberale Partei D66 und die ökologische Partei GroenLinks zählen. Peilingwijzer sagt CDA und D66 am Sonntag jeweils 18 bis 20 Mandate voraus. Laut den Umfragen deutet sich auch ein Überraschungserfolg für den 30-jährigen Chef von GroenLinks, Jesse Klaver, an.
„Meine Waffen sind die Hoffnung und der Optimismus“, sagte Klaver am Wochenende der Nachrichtenagentur AFP. „Wir bauen eine Bewegung auf, die stärker ist als alle anderen Parteien der Niederlande.“

In den Niederlanden gibt es 12,9 Millionen Wahlberechtigte. Nach der Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses tritt am 23. März erstmals das neugewählte Parlament zusammen.

von

Günter Schwarz – 14.03.2017