(Oslo) – In einem unter NATO-Partnern sehr unüblichen Schritt hat jetzt auch Norwegen fünf früheren türkischen Militärpersonen politisches Asyl gewährt. In Griechenland erhielten türkische Soldaten bereits unmittelbar nach dem Putsch am 15. Und 16 Juli 2016 Schutz und inzwischen auch Asyl, als sie mit einem Hubschrauber geflohen waren. Deutschland bearbeitet derzeit ebenfalls mehrere Asylanträge einiger türkischer Militärs und Diplomaten, über die noch nicht abschließend entschieden sind. Und auch Dänemark ist nach Drohungen gegen dänische Parlamentarier türkischer Abstammung inzwischen auf Distanz zu Ankara gegangen.

Norwegen hat vier ehemaligen türkischen Offizieren sowie einem früheren Militärattaché Ankaras politisches Asyl gewährt. Der Schritt ist ungewöhnlich angesichts des Umstands, dass es sich bei Norwegen und der Türkei um Bündnispartner des Nordatlantikpakts handelt. Der norwegische Rechtsvertreter der Offiziere, Kjell Brygfjeld, bestätigte gegenüber einer norwegischen Tageszeitung, dass diese und ihre Familien Asyl erhalten hätten.

Die türkischen Militärpersonen hatten geltend gemacht, dass sie bei einer Rückkehr in ihr Heimatland riskierten, verhaftet und allenfalls sogar gefoltert zu werden. Sie beteuerten gleichzeitig, mit dem Putsch gegen Präsident Erdoğan vom letzten Sommer nichts zu tun gehabt zu haben.

Bereits im Januar hatte das norwegische Massenblatt „Verdens Gang“ berichtet, dass seit dem misslungenen Umsturzversuch 74 türkische Personen in Norwegen um politisches Asyl ersucht hätten. Der ehemalige Militärattaché, dem nun Asyl gewährt wurde, war im Herbst entlassen und zur Rückkehr in die Türkei aufgefordert worden. Einer der Offiziere, die sich zum Verbleib in Norwegen entschlossen hatten, wurde von der Zeitung mit den Worten zitiert, ein Kollege von ihm sei zurück in die Türkei geflogen, um sich gegen die erhobenen Anschuldigung zu verteidigen. Er sei direkt bei der Einreise verhaftet worden und sitze seither im Gefängnis.

Die türkische Botschaft in Oslo ließ gegenüber „Verdens Gang“ verlauten, die Befürchtungen der Offiziere hätten keine Grundlage in der Realität. Die Türkei habe „zahlreiche Mechanismen der Justiz, um die Personenrechte zu schützen“. Wenn jemand nicht zurückreisen wolle, dann vielleicht deshalb, weil die betreffende Person tatsächlich mit den Ereignissen vom Sommer etwas zu tun habe.

Die türkischen Militärs haben nach eigenen Angaben durch ihre Entlassung ihre materielle Lebensgrundlage verloren. Es sei ihnen mitgeteilt worden, dass die Lohnzahlungen an sie eingestellt und ihre Vermögenswerte in der Türkei konfisziert worden seien. Ihre Pässe seien annulliert und ihre Pensionsansprüche gestrichen worden. Laut norwegischen Medienberichten leben die Offiziere, denen Asyl gewährt worden ist, mit ihren Familien nun an geheimen Adressen.

Offizielle norwegische Stellen äußerten sich nicht zum Asylentscheid. Ein Berater des türkischen Präsidenten hat laut Medienberichten gesagt, Ankara könne den Entschluss nicht akzeptieren. Norwegen schütze damit die „Bande“ der Gülen-Bewegung, die die türkische Führung als treibende Kraft hinter dem Putsch sieht.

Auch Dänemark im Clinch mit der Türkei

Strapaziert sind zurzeit auch die Beziehungen der Türkei zu Dänemark. Der dänische Außenminister Samuelsen ließ den türkischen Chargé d’Affaires ins Ministerium zitieren für Erklärungen zu Berichten, laut welchen dänisch-türkische Doppelbürger wegen Kritik an Präsident Erdoğan Drohungen erhalten hätten. Die Zeitung „Berlingske“ hatte am Wochenende einen entsprechenden Bericht publiziert (Sh-UgeAviseb berichtete). Demnach hatte Özlem Çekic, eine frühere dänische Parlamentsabgeordnete türkisch-kurdischer Abstammung und Gründerin einer Nichtregierungsorganisation, über Facebook eine Drohung erhalten. Ihr Name werde den türkischen Behörden genannt, und man hoffe, dass sie auf eine schwarze Liste von Regimegegnern komme.

Sowohl Çekic als auch ein amtierender dänischer Parlamentsabgeordneter, Lars Aslam Rasmussen – Sohn einer dänischen Mutter und eines kurdischen Vaters –, äußerten Befürchtungen um ihre Sicherheit. Auch der dänische Pass vermöge sie nicht zu schützen, sagte Çekic.

Der fremdenfeindlichen Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) wiederum dient die Kontroverse mit der Türkei nun als Grund, die erst seit 2015 mögliche Doppelbürgerschaft wieder grundsätzlich infrage zu stellen. Bürger mit ausländischen Wurzeln müssten sich für die eine oder andere Seite entscheiden, erklärte der außenpolitische Sprecher der Partei, Søren Espersen.

von

Günter Schwarz – 23.03.2017