Sylt-Bahngipfel voller Emotionen – aber ohne Lösungen
(Niebüll) – Gestern, am 22. März, traf man sich um 18:30 Uhr zum öffentlichen „Bahngipfel“ des Kreises in Niebüll unter Leitung des Landrats Dieter Harrsen in der Aula der Friedrich-Paulsen-Schule. Die Gesichter vieler anwesender Pendler sind müde, resigniert, blass. Das Ersatzkonzept auf der Marschbahn zwischen Hamburg und Sylt mit alten, oft verdreckten Zügen, Verspätungen und Zugausfällen fordert seinen Tribut. Weil die neueren Wagen wegen technischer Probleme nicht eingesetzt werden dürfen, musste die Bahn auf alte Modelle zurückgreifen. „Das ganze Privatleben richtet sich nach der Bahn“, sagt eine entnervte Pendlerin.
Dennoch sind rund 150 Betroffene und Interessierte in die Mensa der Friedrich-Paulsen-Schule nach Niebüll gekommen. Der Kreis Nordfriesland hatte Vertreter von Nah.SH, DB Regio, Politik, Touristik, den Kreisbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, Sylter Unternehmer-Vertreter, Pendler eingeladen. „Naja, es ist Wahlkampf“, brummelten viele.
Karl-Max Hellner, Vorsitzender der Sylter Unternehmer, will sich in seiner Rede eine Spitze in Richtung Dieter Harrsen (Wählergemeinschaft Nordfriesland), Landrat des Kreises Nordfriesland, nicht verkneifen: „Seit fünf Monaten läuft das Ersatzkonzept auf der Schiene. Und jetzt erst schaltet sich der Kreis ein.“ Die Zuhörer applaudieren lautstark.
Die Mienen der Teilnehmer auf dem Podium waren sichtlich angestrengt. Mit bahnbrechenden Neuigkeiten hatte gestern keiner der Teilnehmer gerechnet. Noch immer fehlen 90 Wagons, die mit technischen Defekten in Husum stehen und repariert werden müssen. Alles hängt an einem zweiten Gutachten, das Klarheit in Bezug auf die technischen Probleme der Wagons bringen soll. „Dieses Ergebnis müssen wir abwarten“, machte Nah.SH-Geschäftsführer Bernhard Wewers deutlich.
Der Landrat Nordfrieslands Dieter Harssen hatte im Vorfeld der Gespräche Lösungen von den Verantwortlichen gefordert. Doch die wurden nicht geliefert. Stattdessen formulieren alle Beteiligten ihre bereits bekannten Forderungen und fassen ihre Standpunkte zur Situation zusammen.
Zu Beginn macht Pendlervertreter Achim Bonnichsen noch einmal deutlich, worum es geht: Auf der Leinwand im Hintergrund zeigt er Bilder aus und von den derzeit eingesetzten Zügen: ausgelaufene Toiletten, herausgerissene Sitze, Müll, eine während der Fahrt geöffnete Tür. Das war wohl auch für den anwesenden Verkehrsstaatssekretär Frank Nägele (SPD) starker Tobak.
„Es fällt mir schwer, die Zustände, die Sie hier erleben, nachzuvollziehen“, sagt Nägele in seiner Rede. Dafür trage er die politische Verantwortung. Dann bringt er die Anwesenden mit einem Vergleich beim Thema Entschädigung für die Pendler auf die Zinne: „Wenn es bei Ihnen tropft, weil beim Nachbar über Ihnen die Waschmaschine ausläuft und sie dann nach Schadenersatz rufen, dann dürfte die Bereitschaft des Nachbars zur Schadenbehebung nicht sehr groß sein.“
Dafür erntet er empörte Zwischenrufe aus dem Publikum, unter anderem von Gerda Matzen. „Ich würde Sie gern mal nach Sylt zum Arbeiten einladen, damit sie sehen, was bei uns abgeht“, sagt die Mitarbeiterin einer Appartementvermietung, an Nägele gerichtet. Im Verlauf der Diskussion räumt er ein, dass sein Vergleich wohl nicht sehr glücklich war. Er wolle prüfen, inwieweit man den Pendlern mit einer Entschädigung entgegen kommen könne. Ebenfalls deutlich war die Position von Torsten Reh der DB Regio: „Die Alternative zu den jetzt eingesetzten alten Zügen sind gar keine Züge.“
Pendler- und Touristik-Vertreter sowie der Beauftragte für Menschen mit Behinderungen wünschen sich von den Verantwortlichen vor allem verlässliche Informationen. Besonders im Hinblick auf den bevorstehenden Ansturm von Oster-Touristen. Viele Pendler befürchten eine „Katastrophe“, vor allem, wenn Anreisende ihre eigenen Fahrräder mitbringen. DB-Regio-Vertreter Torsten Reh appellierte an die Anwesenden, Gäste auf die Bahn-Kooperation mit „Mietrad“ auf Sylt aufmerksam zu machen oder das Angebot an Leihrädern auf der Insel zu nutzen.
Frank Ketter von der Nordsee-Touristik sagte: „Wir unterstützen Nah.SH und DB Regio gerne in der Kommunikation an die Gäste. Aber dafür brauchen wir Informationen. Jetzt und konkret.“ Den Wunsch der Pendler formulierte ihr Sprecher erneut deutlich. „Wir wollen die Marschbahnzüge zurück, außerdem Kapazitäten und Infos.“ Etwas Hoffnung in Bezug auf die ehemaligen NOB-Wagons machte Bernhard Wewers dann doch noch. „Eventuell könnten in einigen Tagen einige der Wagons wieder fahren.“ Dazu gebe es am Donnerstag ein Gespräch mit dem Eisenbahnbundesamt.
von
Günter Schwarz – 23.03.2017