Nach Ansicht von Venstre und DF keine Entschuldigung Dänemarks für 175 Jahre Sklaverei
In diesen Tagen, am 1. April 2017, jährt sich der Tag an denen Dänemark die drei dänischen westindischen Inseln St. Thomas, St. Jon und St. Croix für 25 Millionen US-Dollar an die Vereinigten Staaten von Nordamerika verkaufte, zum einhundersten Mal. Jetzt entfacht in Dänemark ein neuerlicher Streit um den Umgang mit der eigenen Kolonialgeschichte.
Die Regierungspartei Venstre (rechtsliberale Partei) hält Forderungen nach einer Entschuldigung für „sonderbar“. Die rechtspopulistische, nationalistische Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) ist sowie so dagegen, und nur dänische Oppositionsparteien und Historiker sehen das anders. – Irgendwie erinnert das Verhalten der dänischen Konservativen an das Verhalten der Türkei mit dem Leugnen des Völkermordes an den Armeniern während des ersten Weltkrieges 1915/16!
Es sei schon überraschend, dass die linksliberale Partei Det Radikale Venstre (RV) ihre Haltung geändert hat und nun doch dafür ist, dass sich Dänemark offiziell für Sklaverei und Sklavenhandel während der Zeit als Koloniemacht in der Karibik entschuldigt. Das meint der außenpolitische Sprecher der Dansk Folkeparti, Søren Espersen, der erst kürzlich mit seinen Äußerungen über ein Dänemark bis zur Eider in Deutschland für mediales Aufsehen und für einige Verärgerung besonders bei der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung in Kiel gesorgt hat. – Aber das ist nun einmal die Ansicht von Nationalisten: der Traum von einem „Großreich“. Wir Deutschen kennen es noch von den Adolf Hitler und seinen „Braunen“, und von den rechten Parteien, die wir in Deutschland (leider!) wieder haben, und warum sollte es in Dänemark anders sein, denn Dummheit und Uneinsichtigkeit kennt keine Grenzen und wird noch nicht einmal von einer Grenzpolizei zurückgewiesen.
„Wir unterstützen die Aussagen des ehemaligen radikalen Außenministers Nils Helveg Petersen, dass es keinen Sinn ergebe, dass Generationen, die nie Sklaven gehalten haben, sich bei Generationen entschuldigen sollen, die nie Sklaven waren“, sagt Espersen. Auch die rechtsliberale Regierungspartei Venstre ist dieser Auffassung. „Ich finde, wir sollten uns ja auch nicht für die Wikingerzeit bei Frankreich entschuldigen“, sagt deren Fraktionssprecher Jakob Ellemann-Jensen. „Ich bin also der Meinung, dass Entschuldigungen von denen gegeben werden sollten, die die Untaten begangen haben.“ Auch die Sozialdemokraten wollen sich nicht bei den Bewohnern der Jungferninseln entschuldigen.
Doch das sei moralisch nicht in Ordnung, sagt die Geschichtspolitik-Forscherin Astrid Nonbo Andersen vom Dänischen Institut für Internationale Studien. Eine Entschuldigung könne nur an lebende Menschen gegeben werden. Die Argumentation der Folketingsmehrheit ergibt für sie keinen Sinn. „Es geht nicht um die individuelle Verantwortung einzelner, es geht um staatliche Verantwortung“, sagt sie. „Es gibt massenweise Beispiele dafür, dass man es dennoch gemacht hat. Es ist also ein gültiges philosophisches Argument“, sagt die Wissenschaftlerin und unterstreicht, dass die Sklaverei auf unterschiedliche Weise das Leben der jetzigen Bewohner des damaligen Dänisch Westindien präge. So sind rund 80 Prozent der Einwohner afrikanischer Abstammung.
Eine Entschuldigung würde also durchaus die Richtigen erreichen, meint sie. „Das ist da drüben lebendige Geschichte“, sagt sie, denn für viele „würde das eine Anerkennung der Geschichte bedeuten, die man dort hat, und alle Probleme, die diese mit sich brachte.“ Dieser Ansicht sind auch die Folketingsfraktionen der Radikalen Venstre, der Enhedslisten (Einheitsliste), der Alternativet und der Socialistisk Folkeparti (SF / Sozialistische Volkspartei), die eine offizielle Entschuldigung des dänischen Staates nicht nur für unbedingt nötig erachten sondern auch fordern.
Dänemarks Sklavereigeschichte reicht zurück bis ins Jahr 1672, als die erste Kolonie auf der Insel St. Thomas eingerichtet wurde. Begonnen hat die Geschichte übrigens in Hamburg, wo 1659 die Glückstädter „Africanische Kompanie“ gegründet wurde, die von Kong Frederik III. mit der Kolonisierung beauftragt wurde und die schließlich 1671 in der „Dänischen Westindischen Kompanie“ aufging. 1775 übernahm der dänische Staat die Kontrolle über die Kolonien in die eigene Hand. 1792 wurde der Handel mit Sklaven verboten, jedoch trat die betreffende Verordnung erst 1803 in Kraft. Allerdings war Sklaverei weiterhin erlaubt und wurde erst viele Jahre später, 1848, endgültig verboten und auf St. Croix nach einem Aufstand der Sklaven abgeschafft. Der ursprüngliche Plan sah vor, die Sklaven erst 1860 endgültig freizugeben und ihnen bis dahin nur nach und nach Freiheitsrechte einzuräumen.
von
Günter Schwarz – 27.03.2017